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Brandenburg: Bürgermeisteramt vor Bundestagsmandat

Rolf Kutzmutz kandidiert für zwei unvereinbare Stellen, will aber im Zweifel Potsdam den Vorzug gebenVON MICHAEL MARAROLF KUTZMUTZ ist wieder ins Gespräch gekommen.1993 hatte der "rote Rolf", derzeit Stadtverordneter, Kreisvorsitzender und Bundestagsabgeordneter, beinahe SPD-Oberbürgermeister Horst Gramlich vom Stuhl gefegt.

Rolf Kutzmutz kandidiert für zwei unvereinbare Stellen, will aber im Zweifel Potsdam den Vorzug gebenVON MICHAEL MARAROLF KUTZMUTZ ist wieder ins Gespräch gekommen.1993 hatte der "rote Rolf", derzeit Stadtverordneter, Kreisvorsitzender und Bundestagsabgeordneter, beinahe SPD-Oberbürgermeister Horst Gramlich vom Stuhl gefegt.Das Abwahlbegehren gegen Gramlich unterstützte Kutzmutz trotzdem nicht.Nun fordert er dessen Rücktritt.Der PDS-Politiker will gegen den SPD-Oberbürgermeister-Kandidaten Matthias Platzeck antreten.Michael Mara und Thorsten Metzner sprachen mit Kutzmutz über seine Pläne. TAGESSPIEGEL: Warum fordert die PDS plötzlich den sofortigen Rücktritt Gramlichs und schnelle Neuwahlen? KUTZMUTZ: Die Stadt ist nicht mehr regierungsfähig, die Verwaltung nicht mehr handlungsfähig.Das darf nicht bis September so bleiben.Deshalb muß Gramlich sofort zurücktreten und den Weg für Oberbürgermeisterwahlen freimachen. TAGESSPIEGEL: Damit Gramlich zurücktreten kann, ohne ins soziale Aus zu fallen, sucht die SPD für ihn einen anderen Posten.Würde die PDS eine solche Versorgungslösung, etwa in einer städtischen Gesellschaft, mittragen? KUTZMUTZ: Die Verantwortung für die Situation hat allein die SPD.Es liegt in der Hand seiner Parteifreunde, ob Herr Gramlich zum Versorgungsfall wird oder nicht.Ich wiederhole: Für uns hat oberste Priorität, daß Gramlich sofort zurücktritt und es schnellstmögliche Oberbürgermeisterwahlen gibt.Dem würde ich alles andere unterordnen. TAGESSPIEGEL: Die PDS wollte bislang die vakanten Beigeordneten-Stellen im Rathaus schnell neu besetzen und meldete auch Ansprüche auf das Baudezernat an.PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg liebäugelte dem Vernehmen nach sogar selbst mit dem Stadtratposten.Alles Makulatur, weil Gramlich gehen muß? KUTZMUTZ: Daß Hans-Jürgen Scharfenberg solche Pläne hat, ist mir nicht bekannt.Eins muß aber klar sein: Gramlich kann und darf die Neubesetzung der Schlüsselposten für Bauen sowie Recht und Umwelt auf keinen Fall mehr vornehmen.Es gäbe aber sicher Möglichkeiten, die beiden Stellen trotzdem kurzfristig neu zu besetzen.Schließlich werden sich die politischen Kräfteverhältnisse im Rathaus bei der Wahl nicht grundlegend ändern. TAGESSPIEGEL: Sie treten gegen Platzeck an und kandidieren für den Bundestag.Was wollen Sie nun wirklich? KUTZMUTZ: Die Stadt hat für mich Priorität.Ganz klar: Wenn ich Oberbürgermeister werde, nehme ich das Bundestagsmandat nicht wahr.Ich gehe davon aus, daß die Bürgermeisterwahl vor der Bundestags- und Kommunalwahl stattfinden wird - der Wähler hätte rechtzeitig die nötige Klarheit. TAGESSPIEGEL: Man hört, daß Scharfenberg selbst gern PDS-Oberbürgermeisterkandidat würde.Rechnen Sie innerhalb der PDS mit Gegenkandidaten? KUTZMUTZ: Ich rechne damit.Aber bisher ist mir niemand bekannt. TAGESSPIEGEL: Glauben Sie, daß sie gegen Platzeck, nach Umfragen der angesehensten Politiker Potsdams, überhaupt eine Chance haben? KUTZMUTZ: Mein Ziel ist es, wie 1993 in die Stichwahl zu kommen.Das wäre für mich ein persönlicher Erfolg.Mich wundern allerdings die Vorschußlorbeeren für Platzeck.Er hat sich all seine Meriten auf Landesebene verdient, aber noch nie eine Kommune gelenkt: In Potsdam ist die "Oderflut" jeden Tag.Bislang beschränkt sich sein Programm für die Stadtentwicklung offenbar allein darauf, einen PDS-Oberbürgermeister Kutzmutz verhindern zu wollen.Das ist ziemlich wenig. TAGESSPIEGEL: Sehen Sie die Chancen der PDS bei der Kommunalwahl durch Platzeck schwinden? KUTZMUTZ: Es Bleibt unser Ziel, stärkste Partei zu werden.Die PDS will über dreißig Prozent einfahren. TAGESSPIEGEL: Und dann knallharte Opposition - oder eine Koalition mit der SPD unter Oberbürgermeister Platzeck? KUTZMUTZ: Die Frage einer Koalition stellt sich nicht.Ich rechne aber nicht damit, daß wir die Oppositionsbank drücken.Die PDS wird eine bedeutende Kraft in Potsdam bleiben.Und ich gehe davon aus, daß sich SPD und PDS in verschiedenen Sachfragen - zum Beispiel im Sozialbereich - inhaltlich näher sind als andere Parteien.Wenn die SPD das nach der Wahl anders sehen sollte, wird die PDS ihre Schlußfolgerungen ziehen. TAGESSPIEGEL: Wird PLatzecks Kandidatur zu einer Stärkung der SPD führen, wird es schwieriger für die PDS? KUTZMUTZ: Platzeck wird Chef der Stadtverwaltung, aber nicht der SPD-Stadtfraktion.Und deren Unbedarftheit wird bleiben.Ob Platzeck neben der Verwaltung noch die Kraft hat, die Partei in den Griff zu bekommen, wage ich zu bezweifeln.

MICHAEL MARA

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