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Brandenburg: "Bunkermord-Prozess": "Ungewöhnliche Brutalität und Gefühlskälte"

Mit drastischen Strafen endete am Mittwoch der so genannte Bunkermord-Prozess vor dem Potsdamer Landgericht. Die Strafkammer unter ihrem Vorsitzenden Richter Klaus Przybilla verurteilte den 27-jährigen Ronny S.

Mit drastischen Strafen endete am Mittwoch der so genannte Bunkermord-Prozess vor dem Potsdamer Landgericht. Die Strafkammer unter ihrem Vorsitzenden Richter Klaus Przybilla verurteilte den 27-jährigen Ronny S. wegen zweifachen Mordes, versuchten Totschlages und gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Haft. Zugleich stellten die drei Berufsrichter und zwei Schöffen die besondere Schwere der Schuld fest, so dass S. nicht schon nach 15 Jahren auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen werden kann. Der 19-jährige Stephan T., der zweite Hauptangeklagte, wurde wegen der gleichen Taten zu neun Jahren Jugendstrafe und Einweisung in eine psychiatrische Klinik verurteilt. Damit entsprach das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Beim Urteil gegen den Mitangeklagten Thomas P. ging die Kammer dagegen weit über die Forderung der Anklagevertretung hinaus. Der 28-Jährige muss wegen Beihilfe zum Mord für vier Jahre hinter Gitter. Die Staatsanwaltschaft hatte für ihn nur ein Jahr Haft auf Bewährung wegen Freiheitsberaubung und unterlassener Hilfeleistung gefordert. Sein Anwalt hatte auf Freispruch plädiert.

Das Gericht sah es nicht nur als erwiesen an, dass Stephan T. und Ronny S. einen 23-Jährigen nahe ihrer Heimatstadt Brandenburg (Havel) zweimal schwer misshandelt hatten und anschließend dessen Stiefschwester, die 26-jährige Heidi F., umbrachten. Auch für den Tod von Heidis dreijähriger Tochter Julia sprach das Gericht die beiden Hauptangeklagten schuldig. Sie sollen das Kind regelrecht totgetreten haben, weil sie nach dem Tod der Mutter nicht wussten, wohin mit ihm. Allerdings gibt es für diese Tat weder Zeugen noch Geständnisse, und die Leiche des Mädchens wurde bis heute nicht gefunden.

Die Angeklagten nahmen die Urteile ohne erkennbare Gefühlsregung auf. Die Täter hatten sich bis zuletzt gegenseitig die Hauptschuld am Tod der Mutter gegeben und den Kindermord bestritten. Während Stephan T., dem ein Gutachter eine schwere Persönlichkeitsstörung attestiert hat, über die Geschehnisse teilnahmslos und sachlich berichtet hatte, hatte Ronny S. immer wieder versucht, sich als Opfer unglücklicher Umstände zu präsentieren. Das Gericht habe diese Ausführungen "bis zur Grenze des Erträglichen hingenommen", sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung.

"Das ungeliebte Kind seiner Mutter"

Die "besondere Schwere der Schuld" von Ronny S. begründeten die Richter mit dem Mordmotiv der Vertuschung anderer Verbrechen und mit dem besonders qualvollen Tod von Heidi F. Die Täter sollen sie unter einem Vorwand in einen alten Bunker gelockt haben, wo sie sie fast eine Stunde lang mit Tritten, Schlägen und Messerstichen malträtierten, Feuer legten und die hilflose Frau in dem stockdunklen Raum zurückließen, bis sie nach langen Qualen an Unterkühlung starb.

Das Motiv für diesen Mord: Heidi F. sollte daran gehindert werden, wegen ihres zuvor halbtot gefolterten Stiefbruders zur Polizei zu gehen. Am 16. Juni vergangenen Jahres hatte sich die Frau einer Sozialarbeiterin offenbart. "Mit diesem Gespräch hat Heidi F. ihr Todesurteil unterschrieben", sagte der Vorsitzende Richter. Auch der Mitangeklagte Thomas P., der bei der Entführung am selben Abend half, soll Heidi F. zweimal getreten haben, bevor er den Bunker ängstlich verließ und draußen wartete, anstatt Hilfe zu holen. Später versteckte er das bei der Tat verwendete Messer.

Den Tod des Kindes sah das Gericht als erwiesen an, weil Stephan T. die Leiche detailliert und glaubwürdig beschrieben hatte. Motiv dieser "unglaublichen Eskalation von Gewalt" sei die Angst gewesen, dass das Jugendamt die Mutter suchte und so der vorangegangene Mord bemerkt werden könnte.

Dem 19-jährigen T. bescheinigte das Gericht eine "ungewöhnliche Brutalität und Gefühlskälte". Strafmildernd werteten die Richter neben seinem Teilgeständnis eine psychische Störung, die dringend behandelt werden müsse, um weitere schwere Verbrechen zu verhindern. "Er war das ungeliebte Kind seiner Mutter", sagte der Vorsitzende. Stephan T.s Verteidiger hatte schon am Rande eines früheren Verhandlungstages gesagt: "Eigentlich gehört auch die Mutter hier auf die Anklagebank". Dagegen ist Ronny S. laut dem Urteil voll schuldfähig. Zu seinem Gunsten erwähnte das Gericht nur, dass er - ebenso wie Thomas P. - nicht vorbestraft war.

Die Anwälte von Ronny S. und Thomas P. kündigten Revision gegen die Urteile an. Auch Stephan T.s Verteidiger erwägt eine Anfechtung, weil er im Fall des Kindes Freispruch aus Mangel an Beweisen und für die anderen Taten eine geringere Jugendstrafe für seinen Mandanten gefordert hatte. Von der hohen Strafe gegen den Mittäter Thomas P. zeigte sich sogar der Staatsanwalt überrascht. Auch seine Behörde werde das Urteil prüfen und dann über eine Revision entscheiden. Das Berufungsverfahren würde vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werden.

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