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Brandenburg: Das letzte Haus kommt weg – Horno ist Geschichte

Ehepaar Domain und Vattenfall-Konzern einigten sich auf einen Vergleich Kläger räumen Grundstück – und erhalten dafür eine höhere Entschädigung

Berlin/Horno - Die letzten beiden Einwohner des Dorfes Horno in der Lausitz haben ihren Widerstand gegen die Braunkohlenbagger aufgegeben. Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einigten sie sich gestern auf einen Vergleich mit dem Energieunternehmen Vattenfall. Danach nehmen die Eheleute Ursula und Werner Domain ihre Klage gegen die eingeleitete Enteignung zurück und verpflichten sich, in einem angemessenen Zeitraum ihr Haus und ihr Grundstück zu verlassen. Das Energieunternehmen erklärte sich seinerseits bereit, die bisher angebotene Entschädigungssumme zu erhöhen. Über Details wurde Stillschweigen vereinbart.

Mit dem Wegzug der beiden Eheleute kann nun der Tagebau Jänschwalde ungehindert bis zum Jahre 2019 weiterarbeiten. Alle anderen 200 Einwohner von Horno hatten vor rund zwei Jahren ihre Heimat aufgegeben. Die meisten waren in neue Häuser in einem Ortsteil des benachbarten Forst gezogen. Damit endete gestern endgültig ein seit Anfang der neunziger Jahre währender Kampf gegen die Abbaggerung des Ortes an der deutsch-polnischen Grenze.

Die einst als „schönstes Dorf der Lausitz“ ausgezeichnete Gemeinde hatte vor sämtlichen nationalen und internationalen Gerichten Niederlagen einstecken müssen. Entscheidend war der Beschluss des Brandenburger Landtages von 1997 zum „Braunkohlengrundlagengesetz“, das später auch das Landesverfassungsgericht bestätigte. Danach sollte der Abbau von einheimischer Kohle nicht nur der Energieproduktion, sondern auch dem Schutz von Arbeitsplätzen und der Strukturentwicklung in der Lausitz dienen.

Gestern verfolgten etwa 70 Bergleute aus Jänschwalde gespannt die Verhandlung. Vor einigen Tagen waren ihre Bagger vor dem Grundstück der Domains zwangsweise zum Stehen gekommen. Seitdem bangten sie um ihre Arbeitsplätze. Doch erst musste die Entscheidung des Gerichts abgewartet werden. Mit Beifall und großer Erleichterung nahmen die Kumpel daher das Einlenken des Ehepaars an. Aus Sorge vor möglichen Tumulten hatte das Gericht sogar Polizeischutz und strenge Personenkontrollen am Eingang angeordnet. Doch es blieb alles ruhig. „Ich gehe nicht freiwillig, sondern wehre mich nur gegen eine Zwangsenteignung“, sagte der 70-jährige Werner Domain nach der Verhandlung. „Aus dem Haus tragen lasse ich mich nicht.“ Freudig gehe er auf keinen Fall aus Horno weg. „Es ist doch mein Haus.“ Das kann er sich jetzt nach Angaben seines Anwalts Dirk Tessmer an einem anderen Ort neu bauen. Die vorher von Vattenfall angebotenen 164 000 Euro hätten für ein Haus und einen Garten nicht gereicht. „Die neue Entschädigungssumme macht das möglich, obwohl zwischen ihr und dem alten Wert keine Welten liegen“, sagte Tessmer.

Bis zuletzt hatte er vor Gericht für seinen Mandanten versucht, Vattenfall zu einer Umfahrung des Grundstückes durch die Bagger zu zwingen. Das hätte nach mehreren unabhängigen Gutachten einen Verlust von 21 Millionen Tonnen Kohle verursacht. Diese Menge entspricht jedoch fast dem Jahresbedarf von Brandenburgs größtem Kohlekraftwerk in Jänschwalde. Diesen Verlust wollte Vattenfall keineswegs hinnehmen. Nach der gestrigen Einigung will das Unternehmen schon in den nächstenWochen mit dem Abriss des letzten Hauses und dessen Gartens in Horno beginnen. Das Dorf wird für die unter ihm liegende Kohle endgültig von der Landkarte getilgt, so wie 80 andere Dörfer in der Lausitz zuvor.

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