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Brandenburg: „Das Wichtigste ist Vertrauensgewinn“

Der neue Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski über seine Versorgungsansprüche und seine Pläne für die Stadt

Herr Szymanski, wie lebt es sich mit dem Ruf als der am besten versorgte Oberbürgermeister Deutschlands – völlig ungeniert?

Ein klares Nein. Es tut sehr weh, dass da etwas ungerechtfertigt an einem hängen bleibt.

Warum ist es ungerechtfertigt?

Ich verzichte freiwillig auf Gehalt, weil ich mein Ministeramt und mein Landtagsmandat niedergelegt habe. Es ging mir nicht um eine „Luxusversorgung“ oder ein „Rückkehrrecht“, sondern darum, dass mir Ansprüche aus den 14 Jahren, in denen ich als Beamter des Landes Brandenburg tätig war – egal, ob als Lehrer, Schulleiter oder Staatssekretär – verloren gehen. Nicht nur für die Rente, sondern auch bei Erwerbsunfähigkeit oder bei einem Unfall. Ich habe Familie, zwei Kinder – daran muss ich auch denken.

Als Oberbürgermeister von Cottbus sind Sie doch weiter im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg tätig.

Ja, aber wer vom Landes- in den kommunalen Dienst wechselt verliert seine bisher erworbenen Ansprüche. Das ist – wenn Sie so wollen – eine Gesetzeslücke für Beamte, die bereit sind, vom Ministeramt in das Oberbürgermeisteramt zu wechseln. In einigen anderen Bundesländern gibt es dafür klare Regelungen. Was ich mir vorwerfe ist, dass ich die Problemlage nicht offensiv öffentlich gemacht habe.

Die Argumentation, Sie hätten für die SPD die Wahl in Cottbus gewonnen, die Zeche zahle aber nun der Steuerzahler, ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen, oder?

Doch, weil ich jetzt aus meiner Tätigkeit als OBM keine zusätzliche Versorgung aus der Beamtendienstzeit als Lehrer, Schulleiter und Staatssekretär erhalte.

Bleibt diese Gesetzeslücke in Brandenburg bestehen?

Ich gehe nicht davon aus, denn im Hauptausschuss des Landtages haben SPD, CDU und PDS vereinbart, sich im April mit den Eckpunkten einer gesetzlichen Neuregelung beschäftigen zu wollen. Sie muss meines Erachtens einen Wechsel, wie ich ihn vollzogen habe, erleichtern. Wir brauchen das auch für den anstehenden Generationswechsel in der Kommunalpolitik.

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, Ihr Wechsel nach Cottbus sei nicht ganz freiwillig erfolgt. Hat Ihnen Matthias Platzeck die Pistole auf die Brust gesetzt?

Das wäre erstens nicht der Stil von Matthias Platzeck und zweitens schlichtweg albern gewesen. Meinen Sie wirklich, dass ich sozusagen unter Zwang einen überzeugenden Wahlkampf hätte führen können?

Warum haben Sie sich dann für Cottbus entschieden?

Weil es meine Geburts- und Heimatstadt ist. Hier bin ich zu Hause, hier war ich jahrelang SPD-Vorsitzender und habe dadurch natürlich mitbekommen, wie sich die Probleme von Jahr zu Jahr verschärft haben. Und hier – nicht in Potsdam – bin ich auch immer wieder angesprochen worden, ob ich nicht als Oberbürgermeister kandidieren würde.

Wann sind Sie erstmalig angesprochen worden?

Schon als das Abwahlverfahren gegen die frühere Oberbürgermeisterin Karin Rätzel lief.

Warum haben Sie sich dann so lange geziert, bis es sogar schon eine andere Kandidatin für die SPD gab?

Es war keine leichte Entscheidung. Immerhin habe ich als Infrastrukturminister auch einiges mit auf den Weg gebracht. Den Großflughafen BBI zum Beispiel. Oder die Beschleunigung des Stadtumbaus in Brandenburg. Und die gemeinsame neue Landesplanung mit Berlin. Aber die Sache mit Cottbus hat immer in mir gearbeitet. Und als ich Ende Juli während eines Erholungsurlaubs Zeit zum Nachdenken hatte, reifte der Entschluss.

Haben Sie ihn nach diesem Fehlstart schon bereut?

Es war kein Fehlstart und ich bereue die Entscheidung für meine Heimatstadt nicht. Mit erfolgreicher Arbeit werde ich Vertrauen zurückgewinnen.

Wie wollen Sie die desolate Haushaltslage in den Griff bekommen?

Im Moment bin ich noch bei der Bestandsaufnahme, der Kassensturz ist in vollem Gange. Alle Haushaltspositionen werden in den Bereichen Einnahmen und Ausgaben überprüft.

Wie wollen Sie Cottbus voranbringen?

Das Wichtigste ist die Wiederherstellung des Vertrauens: in der Verwaltung selbst, zwischen der Verwaltung und den Stadtverordneten und vor allem zwischen der Rathausspitze und den Bürgern. Das geht damit los, dass es erstmals seit Jahren wieder eine Bürgersprechstunde mit den Dezernaten und mir geben wird. Im Internet können Bürger Ideen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten – und sie nutzen es bereits kräftig. Ich glaube auch, dass die Stadtverordneten mir vertrauen. Dass selbst mein Gegenkandidat um den Posten des Oberbürgermeisters, Holger Kelch, weiter als Beigeordneter im Rathaus bleibt, werte ich als gutes Zeichen. Bereits in meiner ersten Woche als Oberbürgermeister liegt nun den Amtsleitern und auch den Fraktionsvorsitzenden eine neue Fachbereichsstruktur für die Verwaltung zur Diskussion vor.

Und was die wirtschaftliche Situation der Stadt anbelangt? In Frankfurt (Oder) entstehen gerade 1000 Arbeitsplätze …

Damit kann ich noch nicht dienen, aber einige Firmenerweiterungen und Neuansiedlungen stehen an. Vattenfall, ein Global Player, arbeitet daran, dass der Abbau der Braunkohle weitergeht – das sichert Arbeitsplätze. Gleichzeitig werden mit Renaturierungsmaßnahmen neue Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben eine hervorragende Technische Universität und eine Fachhochschule, sind Olympiastützpunkt, Tor zum Spreewald, zur Internationalen Bauausstellung (IBA) und nach Polen, wir haben das Staatstheater, den Pückler-Park, das osteuropäische Filmfestival und vieles mehr.

Warum hat Cottbus dann trotzdem bei manchen einen schlechten Ruf – beispielsweise wegen rechtsextremer Gewalttaten?

Weil wir das Positive besser als bisher vermarkten und vernetzen müssen. Sie wissen doch selbst, wie das ist: Wenn ganz viele kleine Gedenksteine – die sogenannten Stolpersteine für während in der Nazizeit aus Cottbus deportierte Juden – gesetzt werden, ist das vielen Medien nicht einmal eine Meldung wert. Wenn solche Steine beschmiert werden, berichten alle darüber. Damit will ich nicht sagen, dass wir kein Problem mit Rassismus und Rechtsextremismus haben. Aber wir haben auch viele Initiativen dagegen. Und immer mehr Bürger, die sich für ein weltoffenes Cottbus einsetzen.

Das Gespräch führte Sandra Dassler

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