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Brandenburg: Deiche bauen reicht nicht

Von Claus-Dieter Steyer Den Menschen an der Oder braucht niemand etwas von den Launen der Natur zu erzählen. Sie können wohl am besten die große Aufregung nach dem sogenannten Jahrhundertsturm in der vergangenen Woche verstehen.

Von Claus-Dieter Steyer

Den Menschen an der Oder braucht niemand etwas von den Launen der Natur zu erzählen. Sie können wohl am besten die große Aufregung nach dem sogenannten Jahrhundertsturm in der vergangenen Woche verstehen. Schließlich liegt ihr nicht weniger dramatisches „Jahrhunderthochwasser“ gerade erst fünf Jahre zurück. Damals meldeten sich viele Experten zu Wort, die einen anderen Umgang mit der Natur verlangten. Auch jetzt mangelt es nicht an fachkundigen Ratschlägen, damit das Klima nicht weiter verrückt spielt. Ob sie wirklich längere Zeit Gehör finden und zu Veränderungen führen, darf bezweifelt werden.

Auch nach der Oderflut 1997 redeten sich Wissenschaftler und Politiker auf unzähligen Symposien und Konferenzen die Köpfe heiß. Vieles sollte anders, besser und vor allem sicherer werden. Wenig ist tatsächlich passiert. Ja, die Gefahr einer erneuten Überschwemmungskatastrophe schätzen nicht wenige Bewohner der Oderregion sogar größer als je zuvor ein.

Denn bisher konzentrierten sich fast alle Arbeiten auf die Deiche. Ein großer Teil von ihnen ist bereits erneuert worden. Breiter und höher stehen die Dämme nun auf mehreren Kilometern Länge. Aber Flüsse, das zeigen nicht zuletzt regelmäßig Rhein und Main, lassen sich nur schwer in ein Korsett zwingen. An der Oder startet aber gerade so ein fragwürdiger Versuch. Denn Polen nimmt sich jetzt verstärkt seiner jahrzehntelang vernachlässigten Flüsse an. Das ist bitter notwendig, wie die schweren Überschwemmungen in Breslau und anderen Städten im Sommer 1997 mit 55 Toten zeigten. Doch das schwere Schicksal in Polen bedeutete gleichzeitig Glück für die deutschen Grenzregionen. Denn große Wassermassen ergossen sich bereits weit vor dem Brandenburger Land in Gebiete rechts und links des eigentliches Flussbettes. Hätte die Oder mit höchstem Pegelstand die erste deutsche Ortschaft Ratzdorf erreicht, wären die Schäden mit Sicherheit viel größer geworden. Es ist mehr als fraglich, ob die Deiche diesen Druck ausgehalten hätten.

Genau dieses Szenario dürfte aber bei intakten Deichen auf polnischer Seite eintreten. Außerdem will das Nachbarland die Oder für einen durchgängigen Schiffsverkehr bis nach Stettin ausbauen - mit allen Folgen für den Fluss.

Keiner kann und will diesen Plänen widersprechen. Aber offenbar bedenkt niemand die Konsequenzen, besonders in Deutschland. Vor allem von den nach dem Hochwasser verlangten Überflutungsflächen, auf denen im Fall der Fälle nichts passieren kann, ist längst keine Rede mehr. Dabei machten angesichts der Wassermassen anfangs sogar Ideen von einer kompletten Aufgabe der Siedlungen unmittelbar hinter dem Deich die Runde. Diese Vorschläge wurden zwar schnell begraben, aber andere Lösungen waren auch nicht zu hören. Die Macht der Natur wird nicht ernst genommen. Selbst der Präsident des Brandenburger Landesumweltamtes äußert sich skeptisch. Am Rhein, so sagte Professor Matthias Freude, sei man beim Umdenken schon weiter.

Die Zusammenarbeit der Wasser-Experten aus Deutschland und Polen klemmt ebenfalls. Polnische Fachleute zeigten sich kürzlich erstaunt von deutschen Plänen zum Ausbau des bei Schwedt parallel zur Oder verlaufenden Kanals. Zwei betonierte Wasserstraßen aber verträgt der Fluss kaum.

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