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Brandenburg: Der Aal wandert aus

In der Havel haben sich die Bestände extrem verringert. Eine Ursache soll der Golfstrom sein

Strodehne - Die Warnung aus dem Havelland klingt dramatisch: „Der Aal stirbt aus!“ Fischer und Wissenschaftler sprechen von einer düsteren Perspektive. Schon jetzt seien die Bestände des einst die Havel sowie ihre Seen und Nebenflüsse dominierenden Fisches so extrem klein, dass in einigen Jahren kein Aal mehr aus Brandenburg kommen dürfte.

Zwar sind gerade 300 000 Jungaale in Potsdam und Umgebung ausgesetzt worden, doch Experten halten diese Rettungsaktion für wenig sinnvoll. Der Wandel des Klimas, die starke Vermehrung der fischfressenden Kormorane sowie Wehre und Staustufen in den Flüssen und ein zu starker Fang würden die Erhaltung dieser wertvollen und als Delikatesse geschätzten Fischart ernsthaft gefährden.

Auf dem Fischereihof von Wolfgang Schröder in Strodehne an der Landesgrenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt deutet auf den ersten Blick nichts auf Krisenstimmung hin. Der Unternehmer, der den Betrieb im Ortsteil Gahlenberg in vierter Generation führt, trägt volle Bottiche vom Kahn in den Kühlraum. Dann bereitet er Salat für den Verkauf zu und eilt zu den wartenden Kunden im Hof. Die holen die gewünschte Ware meist gleich mit dem Lieferwagen ab. Doch nicht nur diese Tatsache verwundert. Die Fahrzeuge tragen Kennzeichen diplomatischer Vertretungen, was in dieser einsamen Gegend, 90 Kilometer nordwestlich Berlins, schon überrascht.

Aus den Gesprächen der Besucher erschließt sich deren Nationalität. Es handelt sich um Chinesen, Russen und Menschen aus anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Sie kaufen jedoch nicht etwa Zander, Hecht oder Aal, sondern die auf Speisetischen der Deutschen eher unbekannten Brassen oder Rapfen. Ein Kilogramm dieser Fischart kostet nur einen Euro. Entsprechend gering fällt der Gewinn für den Fischer aus, der sich keine Angestellten leisten kann und täglich gegen 4.30 Uhr zum Fang auf die Havel, den Gülper See und den Hohennauer See hinaus fährt. Er kennt am besten die dramatische Lage des Aals.

„Zu DDR-Zeiten holte die Fischereigenossenschaft aus dem heute von mir und zwei Kollegen bewirtschaften Revier jährlich sieben Tonnen Aal heraus“, sagt Schröder. „Heute kommen wir gerade mal auf 500 bis 700 Kilogramm.“ Es sei wirklich schlimm, weil der Aal das Hauptgeschäft ausmache. In der DDR-Mangelwirtschaft galt die Fischart sogar als begehrtes Tauschobjekt gegen Fliesen, Handwerkerleistung oder Ersatzteile. Heute, sagt Schröder, müsse er sich eben mit dem Verkauf minderwertiger Fischsorten über Wasser halten.

Ähnlich erginge es vielen Berufskollegen. Die Ursachen des Aal-Rückgangs hat der Chef des Naturparks Westhavelland, Rocco Buchta, intensiv recherchiert. „Für mich und namhafte Experten kommt nur die Veränderung des Golfstromes in Frage“, sagt er. „Durch die weltweite Klimaveränderung hat er sich in den vergangenen Jahren schrittweise vom Norden in den Süden verschoben, so dass die Aale nicht mehr das Mündungsgebiet der Elbe in die Nordsee erreichen. Sie werden nach Süden abgedrängt.“

Doch zur Fortpflanzung müssen die Aale von Mitteleuropa bis in den westlichen Atlantik wandern, um als Jungtiere in die Elbe und von dort in die Havel zurückzukehren. Der Golfstrom weist ihnen den Weg – seit einigen Jahren aber führt er die meisten weit weg von der Elbmündung. Selbst die wenigen Jungaale, die noch in die in Heimat zurückkehren, haben hier nur geringe Überlebenschancen. Sie werden zur leichten Beute der immer zahlreicher werdenden Kormorane.

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