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Brandenburg: Diepensee wird abgerissen – von Arbeitern im Schutzanzug

Das Ortsschild ist schon weg, jetzt werden Asbestplatten beseitigt. Das Dorf weicht dem Großflughafen. Bis Juni soll es verschwunden sein

Diepensee - „Diepensee, Landkreis Dahme-Spreewald“ steht hier nicht mehr. Das Ortsschild ist weg; nur Rahmen und Pfosten sind geblieben. An der Autobahnausfahrt kurz vorm Schönefelder Kreuz steht allerdings noch ein Wegweiser zum Dorf. Der ist wohl hauptsächlich für die vielen Lastwagen- und Baumaschinen- Fahrer bestimmt, die jetzt täglich den Ort ansteuern: Der Abriss der einst 335 Einwohner zählenden Gemeinde Diepensee hat begonnen. Sie macht Platz für den Großflughafen Berlin-Brandenburg International, der hier 2010 eröffnet werden soll. Quer über das Gemeindegebiet erstreckt sich nach den Plänen das künftige Abfertigungsterminal.

Nur eine Hand voll Häuser ist in dem Dorf noch bewohnt. Doch auch deren Tage sind gezählt. Im Juni 2005 wird nichts mehr an Diepensee erinnern, kein Haus, keine Straße, kein Baum und kein Garten. Für die Einwohner entstand im zehn Kilometer entfernten Königs Wusterhausen ein neuer Ortsteil. Heute feiern sie hier die Eröffnung der Kita und des Feuerwehrgerätehauses. 78 Millionen Euro hat die Umsiedlung gekostet. Die Flughafengesellschaft – sie gehört dem Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg – entschädigte die Betroffenen nach dem Grundsatz „Neu für alt“.

Wer also ein Einfamilienhaus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche besaß, erhielt am neuen Standort ein adäquates Gebäude. Garagen oder Schuppen wurden ebenfalls entschädigt. Mieter bekamen neue Wohnungen entsprechend der vorherigen Größe. Nennenswerten Widerstand gegen die Umsiedlung gab es in dem Ort nicht. Zwar harren in Diepensee noch einige Einwohner aus – aber nicht aus Protest. Ihre Wohnungen sind einfach noch nicht fertig. Auch zwei kleine Gewerbebetriebe arbeiten hier noch bis März.

Ihre Beschäftigten verfolgen wie die letzten Bewohner das stückweise Verschwinden des Ortes. Derzeit werden die Bäume gefällt und die Schweinemastanlage am Ortsrand niedergerissen. Doch vor den Absperrbändern dort beschleichen manchen durchaus „mulmige Gefühle“, wie es ein Mann formuliert. „Asbestfasern“ steht warnend auf den Bändern. Die feinen Partikel können Krebs auslösen. Und dieser Gefahr wegen hat ein Rechtsanwalt, der die Bürgerinitiative gegen den Großflughafen in Schönefeld vertritt, das zuständige Landratsamt zum sofortigen Stopp der Arbeiten aufgefordert. Die Behörde bat das Landesamt für Arbeitsschutz um Prüfung der Vorwürfe. Die Experten kontrollierten mehrere Stunden die Baustellen und ließen die Abrissfirmen weiter arbeiten. „Asbestfasern setzen sich nur frei, wenn die aus ihnen bestehenden Platten zerbrechen oder aufeinander reiben“, sagt Bauleiter Jens Preibisch von der Thyssen Veag Flächenrecycling/Altwert GmbH. Das sei in Diepensee aber nicht der Fall. Seine Firma besitze Erfahrungen in ganz Deutschland. „Asbestplatten werden jeden Tag beseitigt. Da müssten ja ganze Großstädte evakuiert werden, wenn tatsächlich so eine große Gefahr bestünde.“ Spezialisten in Schutzanzügen und mit Atemschutzmasken verladen die Platten in geschlossene Container. Amtsdirektor Udo Haase vertraut der Firma. „Wir wollen, dass das gefährliche Zeug so schnell wie möglich aus unserer Gegend verschwindet“, sagte er.

Diepensee, das Dorf ohne Ortsschild, soll der Flughafengesellschaft „besenrein“ übergeben werden. Oder besser: die Brache, die einmal Diepensee war.

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