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Brandenburg: Ein schlechter Witz

Sandra Dassler über den Brandenburger Süden, der plötzlich reich sein soll ANGEMARKT Und es boomt doch in der Lausitz: jeden Freitagabend auf der A 13 zwischen Spreewalddreieck und Cottbus. Da kommen sie alle wieder – die Familienväter und -mütter, die von Montag bis Freitag in Berlin, Niedersachsen oder Bayern arbeiten.

Sandra Dassler über den Brandenburger Süden, der plötzlich reich sein soll

ANGEMARKT

Und es boomt doch in der Lausitz: jeden Freitagabend auf der A 13 zwischen Spreewalddreieck und Cottbus. Da kommen sie alle wieder – die Familienväter und -mütter, die von Montag bis Freitag in Berlin, Niedersachsen oder Bayern arbeiten. Es kommen auch die Auszubildenden und – inzwischen freilich nur noch besuchsweise – die jungen Leute, die sich längst für immer in den alten Bundesländern niederließen.

Auch deshalb haben die Menschen zwischen Elsterwerda und Lübben die Nachricht aus Potsdam anfangs für einen schlechten Witz gehalten, einen Anfall von Sinnesverwirrung. So etwas passiert ja manchmal, wenn eine Landesregierung als Große Koalition wenig (parlamentarischen) Widerstand zu fürchten hat. Doch letzte Woche hat es Ministerpräsident Platzeck noch einmal offiziell bestätigt: Es bleibt bei der vom Kabinett beschlossenen Aufteilung Brandenburgs in zwei EU-Förderregionen. Die bestehen aber nicht, wie jeder halbwegs ökonomisch denkende Mensch vermuten würde, aus dem prosperierenden „Speckgürtel“ um Berlin und den niedergehenden Randregionen Prignitz, Uckermark und Lausitz. Nein – die Regierung unterteilt das Land in einen „armen Norden“ und einen „reichen Süden“.

Welch ein Hohn für die Lausitz, deren Arbeitslosen- und Firmenpleitenzahlen sich nur geringfügig von denen in der Prignitz unterscheiden. Welch eine Verkennung der Tatsachen und vor allem der Stimmung in einer Region, in der jeder Vierte keinen Job hat und jeder Zweite fürchtet, denselben demnächst zu verlieren. Cargolifter und Lausitzring sind nur die traurigen Symbole der allgemeinen Lage. Insolvenzverwalter und Altenpfleger, so heißt es sarkastisch, seien die Berufe, die hier noch eine Zukunft haben.

Dabei war der Süden Brandenburgs tatsächlich einmal reich: an Optimismus, Unternehmensgeist, Lebensfreude. Mitte der 90er Jahre machte sich sogar der „Spiegel“ über die „schlafmützigen Jammer-Ossis“ in Potsdam lustig, die so ganz anders waren als die „vitalen, anpackenden Cottbuser“. Von denen vermutet jetzt mancher gar, dass der Kabinettsbeschluss eine Art „Rache der Potsdamer“ sei. Unter einem Ministerpräsidenten Stolpe, der seinen Wahlkreis in Cottbus hat, wäre das nicht passiert, meinen viele. Platzecks Argumentation, nur mit der vorgeschlagenen Zweiteilung könne man wenigstens für den Norden des Landes den Ziel–I–Status der EU-Förderung behalten, betrachten die meisten als vorgeschoben. Bislang erzählten jedenfalls alle EU-Vertreter, die in der Lausitz weilten, etwas anderes.

Dabei verkennen die Lausitzer nicht, dass sie mit der vom Bund geförderten Bergbausanierung und der Brandenburgischen Technischen Universität, die unter Studenten als Geheimtipp gilt, einige Vorteile gegenüber den nördlichen Landesteilen haben. Sie wissen aber auch, dass es nicht besser wird in ihrer Region. Diese Erkenntnis hat auch ihr Gutes. Die Menschen werden zu Realisten und treffen ihre Entscheidung: Die einen bleiben und richten sich zwischen den langsam voll laufenden Tagebau-Restlöchern ein. Die anderen gehen irgendwann – nicht nur von Montag bis Freitag – dorthin, wo sie Perspektiven erhoffen. Nach Bayern oder Berlin. Bestenfalls sogar nach Potsdam.

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