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Brandenburg: Ein Seehotel auf dem Trockenen

Am Rande eines Tagebaus eröffnet jetzt ein Vier-Sterne-Haus Draußen lockt eine Mondlandschaft, drinnen ein Museum der Fälscher

Großräschen - Das kann nicht wahr sein! Da steht ein Mann mit schlohweißem Haar am Rande des ehemaligen Braunkohle-Tagebaus am Stadtrand von Großräschen. Mit weit ausladenden Armen zeigt er auf diese unwirkliche Landschaft vor ihm, die mal wie ein Mondkrater, mal wie Heide, Wüste oder Prärie aussieht, auf diese Grube, fast sechs Kilometer lang, stellenweise bis zu 70 Meter tief. Man sieht Sand, so weit das Auge reicht, überall Sand. Seltsamerweise ragt in diese Dürre etwas Neues hinein, das wie eine stählerne Seebrücke aussieht. Und dann hat der Mann plötzlich diesen schelmischen Blick und sagt Sätze, die so klingen: „Visionäre riechen sogar schon Salz in der Luft.“ Oder: „Da vorn ist der Yachthafen. Die Liegegebühren werden nicht so hoch sein wie in Marbella.“

Gerold Schellstede, 68 Jahre, Unternehmer, stolzer Träger des „Rote-Adler-Ordens“ von Brandenburg, ist wohl der Zeit wieder einmal etwas voraus. Nun ja, er muss wohl auch ein bisschen verrückt sein oder eine „Ralle haben“, wie man in der Lausitz zu sagen pflegt. Sonst würde Schellstede, den sie den „guten Geist von Großräschen“ nennen, nicht genau hier, nur ein paar Schritte von der früheren Tagebaukante entfernt, am Mittwoch im Beisein von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sein Seehotel Großräschen eröffnen. Für gut drei Millionen Euro, die genaue Summe verrät er nicht, hat er in den letzten Monaten jenes ruinöse Baudenkmal im Gutshausstil, einst 1926 als Ledigenwohnheim für die damalige Ilse Bergbau AG errichtet, zu einem Vier-Sterne-Haus herausputzen lassen. Direkt neben den Aussichtsterrassen der Internationalen Bauausstellung (IBA) gelegen, dürfte es das skurrilste See-Hotel in Deutschland sein – das einzige ohne See.

Denn das Wasser lässt noch eine ganze Weile auf sich warten. Der künftige „Ilsesee“ wird wohl erst in elf Jahren fertig sein, als Teil der künftigen Lausitzer Seenplatte, die mit dann 30 gefluteten Tagebauen hier ringsum entsteht, die größte künstliche Seenplatte Europas. Erst vor wenigen Monaten, am 15. März, hat die Flutung des Ilsesees begonnen. Wer gute Augen hat, sieht am Horizont, wo jede Minute 120 Kubikmeter Wasser ins Loch fließen, eine kleine Pfütze.

Schellstede ficht das nicht an. Er ist guter Dinge, dass das Hotel mit seinen 16 Mitarbeitern viele Gäste beherbergen wird. So liege im September die Auslastung der 40 Zimmer bereits bei 70 Prozent, „obwohl es bisher ja nur Mundpropaganda dafür gab“. Ihn selbst wundert das nicht. „Seen gibt es genug. Spannend ist doch dieses Ödland, diese Wüste. Das gibt es woanders nicht.“

Tatsächlich übt diese geschundene Kohlegrubenlandschaft im Übergang eine eigenartige Faszination aus, ob in Großräschen oder den Zielen, die man ringsum erkunden kann, bei Wanderungen oder Touren mit dem Jeep durch frühere Tagebaue, auf gut 500 Kilometer Radwegen. Man kann Orte wie Pritzen entdecken, am Ende einer kilometerlangen Sackgasse, die im Nirgendwo endet. In diesem Bauerndorf, das einst abgebaggert werden sollte, den Tagebau knapp überlebte. Und das nun hufeisenförmig von einem Kratersee mit zerklüfteten Küstenwänden umschlossen ist. Ein seltsam entrückter Ort.

Von der Lausitz und ihren Menschen kann Schellstede nicht mehr lassen. Und nichts anpacken – das kann er sowieso nicht. Geschäftssinn, den richtigen Riecher hatte er schon früher. In Oldenburg baute er einst ein großes Möbelhaus (300 Mitarbeiter, 80 Millionen Euro Umsatz) auf, ehe er 1987 seine Anteile verkaufte. „Ich hatte damals keine Lust mehr, zu arbeiten.“ Die Lust kam wieder, als die Mauer fiel. Als es ihn eher zufällig in die Lausitz verschlug und er in Großräschen wieder ein großes Möbelhaus (100 Mitarbeiter) aufbaute, das er bis heute selbst führt. Er zahle gut, heißt es im Ort. Er selbst nennt als Wahlspruch: „Ich wurde auch nicht als Chef geboren.“

Visionär hin, Geschäftsmann her: Für sein neues „Seehotel“ will er sich trotzdem sicherheitshalber nicht nur auf den Reiz des Ödlands verlassen. Deshalb hat er die in Berlin lebenden russischen Künsterbrüder Prosin beauftragt, im Seehotel ein „Fälschermuseum“ einzurichten. Stolz führt er durch Salons, in denen nun die Rembrandts, Rubens, die Goyas und van Goghs hängen, die die Künstler in internationalen Museen abgemalt haben. An einer Wand hängt noch kein Bild. Sie musste auf Wunsch der Künstler weinrot gestrichen werden, erzählt er. „Da kommt nämlich die Mona Lisa hin.“

Das kann einfach nicht wahr sein. Thorsten Metzner

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