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Brandenburg: „Ermittlungen sind immer ein Makel“

Generalstaatsanwalt Rautenberg erklärt die lange strafrechtliche Prüfung der E-Mail-Affäre

Die Staatsanwaltschaft Cottbus prüft jetzt seit mehreren Wochen mit immer neuen Terminangaben, ob sie aufgrund einer Strafanzeige offizielle Ermittlungen wegen der Ausspähung von Daten gegen den früheren CDU-Generalsekretär Sven Petke aufnimmt. Ist die wochenlange Prüfung eines Anfangsverdachts normal?

Nein. Aber die Fallkonstellation ist auch nicht normal. Der Strafanzeige als solcher kann ein Anfangsverdacht noch nicht entnommen werden. Vielmehr muss dazu das zur Verfügung gestellte Datenmaterial ausgewertet werden Damit hat die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Cottbus ein qualifiziertes, in Süddeutschland ansässiges Sachverständigenbüro beauftragt.

Wie ist der Stand der Prüfungen?

Der Eingang des Gutachtens ist für diese Woche angekündigt, so dass voraussichtlich nächste Woche entschieden wird, ob „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Straftat vorliegen und ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

Nach Darstellung vieler Juristen wird nach Strafanzeigen entweder ermittelt oder nicht. Hat die Staatsanwaltschaft in Brandenburg die Formulierung „Prüfung“ von Ermittlungen erfunden?

Nein. Für die Staatsanwaltschaften in Brandenburg gelten meine „Richtlinien für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen einer Straftat“ vom 21. August 1998. Sie sind in dem verbreitetsten Kommentar zur Strafprozessordnung von Meyer-Goßner erwähnt. Grund für meine Regelung ist, dass die voreilige Annahme eines Anfangsverdachts nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Amtspflichtsverletzung darstellen und zu einer Staatshaftung führen kann. Zudem bedeutet ein laufendes Ermittlungsverfahren für in der Öffentlichkeit stehende Personen trotz der formalen Unschuldsvermutung de facto einen Makel. Daher lege ich großen Wert auf eine besonders sorgfältige Prüfung.

Trotzdem scheint es so, dass Vorermittlungen bei Politikern – anders als bei „Normalbürgern“ – besonders lange dauern.

Diesen Eindruck habe ich nicht. Ich darf an die Ermittlungsverfahren gegen die früheren Minister Regine Hildebrandt und Hartmut Meyer erinnern. Nach deren Einstellung ist die Staatsanwaltschaft kritisiert worden, überhaupt Ermittlungen eingeleitet zu haben. Dabei ist die Klärung des Sachverhalts gerade die Aufgabe des Ermittlungsverfahrens. Doch hierfür bedarf es zunächst eines Anfangsverdachts. Jeder Bürger hat Anspruch darauf, dass nicht jeder erhobene Vorwurf zu einem förmlichen Ermittlungsverfahren führt.

Es gibt erste Forderungen aus der Politik, dass die Generalstaatsanwaltschaft wegen einer offensichtlichen Überforderung der Staatsanwaltschaft Cottbus und der Zeitverzögerungen den Fall, an dem ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, übernehmen sollte. Werden Sie das tun?

Nein. Ich werde allerdings darauf achten, dass die Staatsanwaltschaft nicht politisch instrumentalisiert wird.

Inzwischen liegt eine zweite Strafanzeige gegen Herrn Petke vor. Sehen Sie die Notwendigkeit, die Prüfung zu beschleunigen?

Nein. Erstens werden in der neuen Anzeige keine neuen Tatsachen vorgetragen, und zweitens gibt es auch nichts zu beschleunigen.

Erardo Rautenberg

arbeitet seit 1992 in Brandenburg, seit März 1996 ist er Generalstaatsanwalt des Landes. Mit ihm sprach Michael Mara.

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