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Brandenburg: Es fährt ein Schiff nach Nirgendwo

Auf der Krummen Spree sollen Passagierdampfer fahren. Solche Pläne sind schon einmal gescheitert – zu Kaiser Wilhelms Zeiten

Von Sandra Dassler

Beeskow. Die Krumme Spree südlich von Berlin leidet unter eklatantem Wassermangel und steht in den Sommermonaten nahezu still. Trotzdem sollen bald große Passagierschiffe auf dem Spreeabschnitt zwischen Neuendorfer See und Schwielochsee fahren. Dazu müssten ein Wehr und eine Schleuse für mehrere Millionen Euro gebaut werden. Manche nennen das eine „Vision“. Andere ein „Stück aus dem Tollhaus“.

Die „Krumme Spree“ hat schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten gelitten. Anfang des Jahrhunderts kamen preußische Verkehrsplaner auf die Idee, dass man – bei entsprechender Korrektur der Natur – einerseits große Fahrgastschiffe mit Ausflüglern aus Berlin (fast) bis in den Spreewald schaffen und andererseits Holz und andere Waren von dort in die deutsche Hauptstadt transportieren könne.

Damals trug die „Krumme Spree“ ihren Namen noch zu Recht: In engen Kurven wand sich der Fluss vom Neuendorfer See am Ausgang des Unterspreewalds zum Schwielochsee bei Beeskow. 1906 begann der kostspielige Ausbau zum Kanal. Nebenarme wurden abgetrennt, in Alt Schadow, Kossenblatt und Trebatsch entstanden große Wehre und Schleusen. Schiffe mit über 40 Metern Länge hätten nach Ende der Arbeiten die „Krumme Spree“ passieren können. Dass sie es nicht taten, lag daran, dass die preußischen Planer eine Kleinigkeit übersehen hatten: Die Eisenbahnverbindungen nach Berlin waren inzwischen so ausgebaut worden, dass sich ein Transport auf dem Wasser erübrigte. Die natürliche „Krumme Spree“ war umsonst gestorben. Aber die Idee von den großen Schiffen überlebte. Sie muss über Jahrzehnte hinweg im kollektiven Unterbewusstsein mehrerer Generationen von Wasserbauern, Schiffsbetreibern und Verkehrsbeamten geschlummert haben. In dieser Zeit floss viel Wasser die nun begradigte „Krumme Spree“ hinunter. Als die DDR in den 50er Jahren ihren Tagebau in der Lausitz ausbaute, wurde das Wasser aus den Kohlegruben in die Spree abgeleitet – in so großen Mengen, dass sich der Fluss immer tiefer eingrub.

Doch seit Mitte der 90er Jahre haben sich die Wassereinspeisungen in die Spree dramatisch verringert. Die Tagebaue sind geschlossen, hinzu kommen extrem geringe Regenmengen und die Nähe zum Spreewald, der im Sommer bis zu 5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde verdunstet. Gutachten vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei sowie des Landesumweltamtes kamen zu dem Ergebnis, dass die „Krumme Spree“ nur dann ein Fluss mit den dazu gehörenden Tieren und Pflanzen bleiben kann, wenn ihr Querschnitt den geringeren Wassermengen angepasst wird. Dies kann durch den Anschluss möglichst vieler Altarme und durch eine Erhöhung der Flusssohle geschehen.

Doch da ist ja noch die Idee aus Kaiser Wilhelms Zeiten. Ob es ein Fahrgastschiffbetreiber vom Schwielochsee war, der sie zuerst wieder aufleben ließ oder ein Beamter im Landratsamt Oder-Spree, sei dahingestellt. Irgendjemand mit Einfluss fand jedenfalls, dass es toll wäre, wenn nun endlich große Schiffe in den Neuendorfer See fahren könnten. Da das Wehr in Trebatsch abgebaut und die Schleuse in Alt Schadow 1994 erneuert worden war, fehlt nur noch eine entsprechende Anlage in Kossenblatt.

Mehr als fünf Millionen Euro sollen aus europäischen Mitteln insgesamt für den Neubau der Schleuse und des Wehres zur Verfügung gestellt worden sein, nachdem sich der Landrat von Oder-Spree und das brandenburgische Verkehrsministerium für die Idee begeisterten. Im Verkehrsministerium bezeichnet man den Bau in Kossenblatt als Teil einer großen Vision. Danach sollen Schiffe von Berlin über den Spreewald bis in die zukünftige Seenkette fahren, die aus den stillgelegten Tagebauen in der Lausitz entstehen wird. Nachdem sich bei der ursprünglich geplanten Schleusenlänge von über 40 Metern selbst Befürworter dieser Vision an die Stirn tippen, soll die „Krumme Spree“ nun in die Wasserstraßenklasse B eingeordnet werden. Das bedeutet eine Schleusenlänge von mindestens 25 Metern. Solche großen Schiffe oder Yachten können aber nach Ansicht von Experten nicht fahren, wenn die angeschlossenen Altarme wieder den einstigen kurvenreichen Verlauf hergestellt haben. Unabhängig davon sind die Wassermengen so gering, dass jedes größere Schiff an zwei Dritteln aller Sommertage auf Grund laufen würde.

Gegner des Projekts führen noch weitere Argumente ins Feld: Eine Renaturierung würde den Fischbestand vitalisieren. Eine kleine Schleuse für den sanften Tourismus mit Paddlern und Kanuten, die auch mal am Ufer Halt machen und die regionalen Herbergen und Gaststätten aufsuchen, passt viel eher ins Gesamtkonzept des Spreewalds. Ganz abgesehen von der Geldverschwendung in Zeiten knapper Kassen. Doch weder das brandenburgische Verkehrsministerium noch der Landkreis Oder-Spree wollen von ihrem Vorhaben ablassen. „Die Sanierung der Schleuse Kossenblatt gibt die Möglichkeit, mehr Menschen in die Region zu holen“, heißt es. Über die Größe der Schleusenkammer sei ja noch nicht entschieden. Nur im Landesumweltamt lehnt man die 40- und 25-Meter-Variante inzwischen rundweg ab. „Dafür reicht das Wasser einfach nicht“, sagt Präsident Matthias Freude und verweist zugleich auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die vorschreibt, möglichst viele Flüsse im natürlichen Zustand zu erhalten.

Freude hat deshalb schon oft den Vorwurf des „Wirtschaftsverhinderers“ zu hören bekommen. Dabei will er durchaus die Interessen der Anlieger berücksichtigen. „Letztlich muss die Region selbst entscheiden, was sie will“, sagt er: „Kanu-Tourismus oder Passagierschifffahrt“. Doch bei der neben der Wassermenge entscheidenden Frage, warum überhaupt Touristen vom Neuendorfer See in den Schwielochsee schippern sollten, zuckt auch Freude die Achseln. Weiter als bis zum Neuendorfer See dürften motorisierte größere Passagierschiffe ohnehin nicht fahren, da dieser bereits zum Biosphärenreservat Spreewald gehört.

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