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Brandenburg: Finanzbeamte unter Verdacht auf Untreue Staatsanwälte prüfen behördliche Landnahme

Potsdam - Die vom Bundesgerichtshof in einem spektakulärem Urteil als „sittenwidrig“ gerügte Inbesitznahme von Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg wird zum Fall für die Strafjustiz. Er könnte nach Tagesspiegel- Recherchen Konsequenzen bis in die Ministerialbürokratie und die Landesregierung hinein haben.

Potsdam - Die vom Bundesgerichtshof in einem spektakulärem Urteil als „sittenwidrig“ gerügte Inbesitznahme von Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg wird zum Fall für die Strafjustiz. Er könnte nach Tagesspiegel- Recherchen Konsequenzen bis in die Ministerialbürokratie und die Landesregierung hinein haben. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft prüft, ob wegen der Praxis des Landes Brandenburg ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet wird, bestätigte Sprecher Christoph Lange am Freitag dem Tagesspiegel. Auch der frühere Bundesrichter und Linke-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nescovic hält es nach dem BGH-Urteil „für zwingend, unverzüglich entsprechende Ermittlungen einzuleiten“. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, wäre das nach Einschätzung von Justizexperten ein bis dato einmaliger Fall von staatlich sanktionierter Kriminalität.

Brisant ist, dass die laufenden staatsanwaltschaftlichen Prüfungen gar nicht auf den vom Bundesgerichtshof entschiedenen aktuellen Fall zurückgehen, sondern auf eine lange zurückliegende Strafanzeige, die bislang folgenlos blieb. Gestellt hatte sie der Potsdamer Anwalt Thorsten Purps, Spezialist für Vermögensstreitigkeiten in Ostdeutschland, im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft gegen Vermögensunrecht bereits im Sommer 2006 wegen eines gleichgelagerten Falls aus dem Raum Werder. „Bis heute habe ich von der Staatsanwaltschaft darauf keine Antwort erhalten“, sagt Purps. Die Staatsanwaltschaft begründete dies gestern damit, erst höchstrichterliche Urteil der Zivilgerichte abwarten zu wollen.

Dies ist nun geschehen. Wie berichtet, hat der Bundesgerichtshof gerügt, dass sich das Land Brandenburg bei Grundstücken, die zunächst nach dem Krieg bei der Bodenreform enteignet und an Neubauern vergeben wurden und für die sich später bei der Vermögenszuordnung nach der Wende kein Erbe fand, kurzerhand selbst als Eigentümer in die Grundbücher hatte eintragen lassen. Und zwar schon vor Ablauf der Verjährung im Oktober 2000.

In einem im Jahr 2003 publizierten Fachaufsatz ging Purps davon aus, dass dies allein in Brandenburg „in einigen tausend Fällen“ so geschehen ist. Das Brandenburger Finanzministerium hatte bislang argumentiert, dass diese Inbeseitznahme treuhänderisch geschehen sei. „Das Land hat aber gezielt gegen die Interessen der unbekannten Eigentümer gehandelt. Es hat ihnen gezielt ihr Eigentum entzogen“, sagt Purps.

Wie heikel diese Praxis war, kann Brandenburgs Behörden nicht überraschen. Purps selbst hatte schon 2003 in einem Fachaufsatz drauf hingewiesen, dass sich der Landesfiskus offenbar strafbar mache. „Es drängen sich … strafrechtliche Folgen dieser Verfahrensweise auf, die aufgrund der eindeutigen Verpflichtung zur Bestandssicherung eine Überprüfung des Untreuetatbestandes … rechtfertigen könnte“, schrieb Purps damals. „Diese Entwicklung stellt einen neuen Höhepunkt der Eingriffe gegen Grundstückseigentümer in den neuen Ländern dar.“ Zu keinem anderen Ergebnis kam jetzt der Bundesgerichtshof, was die Nervösität im Finanzministerium erklärt. Thorsten Metzner

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