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Brandenburg: First class im Krankenzimmer

Kliniken streben mehr Patiententourismus an. Meoclinic und Herzzentrum besonders erfolgreich

Bei solchen Ansprüchen müssen Klinikchefs erst mal umdenken: Orthodoxe Muslime benötigen in ihrem Zimmer eine Orientierung in Richtung Mekka, um ihre Gebete verrichten zu können. Und das fünf Mal am Tag zu festen Zeiten, in die keine Operationstermine gelegt werden können. Schweinefleisch ist in den Mahlzeiten natürlich tabu. Auch eine Desinfektion mit Alkohol komme für strenggläubige Muslime nicht infrage, sagt Uwe Torsten, Chefarzt am landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes. Torsten hat die Wachstumschancen untersucht, die der Patiententourismus den Kliniken Berlins bieten könnte.

Denn zunehmend sind die bereit, auch besondere Wünsche zu erfüllen und dafür auch zu investieren, in große Suiten statt einfachen Krankenzimmern etwa und in Nebenräumlichkeiten für die Angehörigen des Kranken und seine Bodyguards. Denn die Patiententouristen zum Beispiel aus Arabien oder aus Russland sind begehrt – wenn sie gut betucht sind. Hofft doch so mancher Klinikökonom, so die schrumpfenden Krankenkassenbudgets aufpolstern zu können.

Es ist ein durchaus lukrativer Markt: Zehntausende Kranke verlassen Jahr für Jahr ihre Heimat, um sich in einer ausländischen Klinik medizinisch versorgen zu lassen. Man kann damit richtig Geld verdienen. Uwe Torsten hat das an zwei großen internationalen Kliniken untersucht – und diese mit Berlin verglichen. Die US-amerikanische Mayo Clinic in Rochester, eines der größten Krankenhäuser der Welt, behandele pro Jahr rund 190 000 internationale Patienten, das sind rund 52 Prozent. Im Bumrungrad Hospital (Bangkok) liege die Quote bei 49 Prozent von rund 890 000 Patienten. Im Durchschnitt aller Berliner Krankenhäuser beträgt der Anteil dagegen nicht mal ein Prozent – auch wenn einzelne Häuser erfolgreicher werben. Die private Meoclinic an der Friedrichstraße behandelt nach Angaben des ärztlichen Direktors Heinz Zurbrügg rund 1000 Ausländer pro Jahr – ein Drittel aller ihrer Patienten. Auch das Deutsche Herzzentrum in Wedding versorgt jährlich 500 Kranke von jenseits der Grenzen.

An der Charité liege die Quote bei unter einem Prozent, sagte Lutz Fritsche, stellvertretender ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums, kürzlich auf einer Veranstaltung der Berliner Wirtschaftsgespräche über den Patiententourismus. „Das ist weniger als wir uns wünschen.“

Warum ist die amerikanische Mayo Clinic so erfolgreich? Weil sie sehr offensiv um Patienten werbe, sagt Torsten. „Die Klinik unterhält zum Beispiel ein eigenes Büro in Saudi Arabien.“ Ein weiterer Grund sei auch die in den USA übliche Offenheit im Umgang mit Qualitätsdaten: „Klinikrankings sind dort seit Jahren überall im Internet zugänglich – und die Mayo Clinic landet für viele Krankheitsbilder auf Spitzenplätzen.“

Mit dem Klinikvergleich von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin, der im Mai erstmals Daten zur Behandlungsqualität der Hauptstadt-Krankenhäuser veröffentlichte, steht nun auch den Patientenvermittlern aus Berlin eine solche Information zur Verfügung. „Das ist sehr, sehr hilfreich, wenn wir mehr ausländische Patienten in die Stadt holen wollen“, sagte Hesham Dahshan, der ehemalige Leiter der medizinischen Abteilung im Medizinischen Aufsichtsbüro der Botschaft Saudi Arabiens. „Denn diese erwarten Anhaltspunkte für gute Qualität – und sind solche Transparenz aus anderen Ländern längst gewöhnt.“

Inzwischen nutzt Dahshan seine guten Kontakte, um als privater Vermittler mehr Patienten nach Europa zu holen. Derzeit vermittle er monatlich zwischen acht und zwölf wohlhabende Kranke in die deutsche Hauptstadt. „Es werden aber langsam immer mehr.“ Langsam – auch deshalb, weil es immer noch einige Kliniken an Engagement fehlen ließen. „Wenn wir tagelang auf ein Angebot warten müssen, sind die Interessenten längst nach München gegangen, wo manche Krankenhäuser wesentlich schneller reagieren“, kritisiert Dahshan den mangelnden Geschäftssinn der Berliner.

Doch die Kliniken erkennen zunehmend die Chancen. Sie investieren und machen Werbung. So haben sich zwölf Berliner Hospitäler zum „network for better medical care“ (NBMC) zusammengeschlossen. Diese versorgten zusammen jährlich rund 2500 ausländische Patienten, schätzt NBMC-Organisator Hans-Jochen Brauns. Doch bald könnten es bis zu 1000 mehr sein. NBMC stehe kurz vor dem Abschluss eines Vertrages mit einem Staat in der Golfregion. Mehr will Brauns noch nicht verraten. „Der Vertrag wird Ende November unterzeichnet.“

Aber nicht nur die Kliniken profitieren davon. Da manche arabischen Prinzen gleich ihre Familie zum Shoppen mitbringen, zählen auch Fünf-Sterne-Hotels und Luxusgeschäfte zu den Gewinnern. Allerdings noch auf niedrigem Niveau, sagt Lothar Quartz, Marketing-Director von Ritz-Carlton, Marriott und Marriott-Courtyard. „Ausländische Patienten machen fünf Prozent unseres Geschäftsvolumens aus“, sagte Quartz bei den Berliner Wirtschaftsgesprächen. „Wir wollen das deutlich ausbauen.“ Denn es lohnt sich: Während „normale Touristen“ oder Geschäftsreisende durchschnittlich zwei Tage in den Hotels buchten, blieben Patiententouristen im Durchschnitt sieben bis 21 Tage.

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