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Brandenburg: Frankfurt redet über Chips und Dresden baut sie

In aller Stille plante Intel-Konkurrent AMD sein zweites Werk

Von Sandra Dassler

Dresden-Wilschdorf. „Betriebsrat? Brauchten wir bisher nicht“, sagt ein Mann im weiß-grünen „Freizeitlook“. Den tragen alle Produktionsarbeiter von Fab 30, der Dresdner Fabrik des amerikanischen Chipherstellers AMD, wenn sie essen gehen oder im hausinternen Fitnesscenter trainieren. Am Arbeitsplatz schlüpfen sie in so genannte Reinraumanzüge. Die Mikroprozessoren sind so empfindlich, dass Raucher spätestens zwei Stunden vor Schichtbeginn die letzte Zigarette ausdrücken müssen. Das nehmen die rund 2000 Beschäftigten ebenso gelassen in Kauf wie den fehlenden Betriebsrat. Ein Job bei AMD ist ein Glücksfall – nicht nur für Sachsen. Auf den Firmenparkplätzen stehen auch Autos, die ihre Besitzer als Bewohner der Stadt Frankfurt (Oder) ausweisen.

„Als wir zum ersten Mal von der geplanten Chipfabrik in Frankfurt hörten, haben wir schon befürchtet, dass wir einige unserer hoch qualifizierten Fachleute von der Oder verlieren“, sagt AMD-Sprecher Jens Drews. Allerdings sei schnell klar geworden, dass die Frankfurter mit ihrem ehrgeizigen Projekt einige Probleme haben würden. Mehr will Drews nicht zu diesem Thema sagen. Schließlich ist Intel, der Mitgesellschafter der Frankfurter Fabrik, ein direkter Konkurrent von AMD. Genauer gesagt: Intel ist mit Abstand der größte Hersteller von Computerprozessoren weltweit – ein Gigant. Wenn sie bei AMD auf Intel zu sprechen kommen, reißt irgendwann immer einer den Witz: „Wo kann ein 800 Pfund schwerer Gorilla sitzen? Antwort: Wo immer er will.“

Trotz der Konkurrenz zu Intel hört man in Dresden keine hämischen Worte über das Scheitern der Frankfurter Chipfabrik. „Mir tun die Menschen Leid“, sagt ein AMD-Angestellter: „Die haben so lange auf Arbeitsplätze gehofft. Es ist verantwortungslos, wenn ein noch nicht ausgegorenes Projekt so groß angekündigt wird.“

In Dresden ist das ganz anders gelaufen. Seit mehr als einem Jahr plante AMD die Errichtung einer zweiten Chipfabrik gleich neben Fab 30. Kein Sterbenswörtchen ist davon an die Öffentlichkeit gedrungen. In aller Stille wurden die Verträge ausgearbeitet, die Finanzierung einschließlich der Bürgschaften grundsätzlich gesichert, die Genehmigung der Subventionen bei der EU beantragt. AMD-Chef Hector Ruiz lobte den sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt: „Er war immer für mich zu sprechen. Ich habe noch nirgends auf der Welt erlebt, dass eine Baugenehmigung innerhalb von drei Wochen erteilt wurde.“

Erst als alles klar war, erfuhr die Öffentlichkeit von der neuen Fabrik – vor zwei Wochen. Seitdem freut sich ganz Dresden. 2300 Arbeitsplätze sollen direkt und indirekt bis 2007 entstehen. „Wir hatten eine Idee, ein gesichertes Finanzierungskonzept, einen strengen Zeitplan sowie absolut verschwiegene und verlässliche Partner“, sagt AMD-Sprecher Jens Drews. „In Frankfurt hatten sie leider nur eine Idee.“

Die Autos mit den FF–Kennzeichen werden also auch weiterhin vor Fab 30 stehen. Nebenan fahren jetzt große Lkw im 90-Sekunden-Takt die Erde fort. Die Baugrube für die neue Dresdener Chipfabrik soll bis Weihnachten ausgehoben sein.

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