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Brandenburg: Gefährdet

Sandra Dassler über den schwierigen Kampf eines kleinen Volkes um sein Überleben ANGEMARKT Es gibt eine ganze Menge Berliner, die heißen Noack, Kokott oder Konzack. Nur die wenigsten wissen, dass ihre Familiennamen „der Neue“, „der Hahn“ oder „der am Ende wohnt“ bedeuten und auf wendische Vorfahren hinweisen.

Sandra Dassler über den schwierigen Kampf eines kleinen Volkes um sein Überleben

ANGEMARKT

Es gibt eine ganze Menge Berliner, die heißen Noack, Kokott oder Konzack. Nur die wenigsten wissen, dass ihre Familiennamen „der Neue“, „der Hahn“ oder „der am Ende wohnt“ bedeuten und auf wendische Vorfahren hinweisen. Auch der Name Köpenick, abgeleitet von Kopnik – der Hügel –, erinnert daran, dass hier einst ein Siedlungsgebiet des sorbischen Volkes war. Doch muss man deshalb eine aussterbende Sprache künstlich am Leben halten? Muss man Millionen ausgeben, wo doch heutzutage jeder Wende beziehungsweise Sorbe perfekt Deutsch spricht? Sollen für diese Minderheit beispielsweise beim Schließen von Schulen andere Maßstäbe gelten als für Deutsche?

Man muss nicht Konzack heißen, um alle diese Fragen zu bejahen. Vor allem aus zwei Gründen: Zum einen würden mit der sorbischen Sprache auch die Literatur und die Kultur des kleinen Volkes über kurz oder lang in Vergessenheit geraten. Ob das nun den sagenhaften Volkshelden Krabat und seinen Widersacher, den Schwarzen Müller, betrifft oder den schönen Brauch des OsterwasserHolens – die Welt wäre ohne sie wieder ein Stückchen ärmer geworden.

Zum anderen kann die sorbische Sprache eine Brücke zu den Menschen in vielen osteuropäischen Ländern sein, die demnächst der EU beitreten. Kinder, die zweisprachig aufwachsen oder – wie es in vielen Niederlausitzer Dörfern möglich ist – von der ersten Klasse an Sorbisch lernen, haben wenig Probleme, sich in Tschechien, Polen, in der Slowakei oder in Slowenien verständlich zu machen. Immer mehr junge Menschen betrachten das Erlernen einer osteuropäischen Sprache als Vorteil für ihre berufliche Karriere. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden noch mehr Firmen und Institutionen als bisher nach Osteuropa gehen und Mitarbeiter suchen, die auch die jeweiligen Landessprachen beherrschen.

Brandenburgs Politiker aller Parteien haben daher Anstand und Vernunft bewiesen, als sie beschlossen, die finanziellen Zuwendungen für die Sorben nicht, wie ursprünglich geplant, zu drosseln. Doch mit Geld allein ist es nicht getan. Im sorbischen Dorf Heinersbrück kämpft eine Schule ums Überleben, zweisprachige Kindergartenprojekte benötigen gut geschultes Personal und viel zu oft wird die Bewahrung der sorbischen Identität auf folkloristische Aspekte reduziert.

Um dies zu ändern, müssen auch die Sorben selbst aktiver werden. Jahrhundertelang handelten sie nach dem Leitspruch: Ein kleines Volk kann nur überleben, wenn es sich anpasst. Jetzt können sie ihre Rechte einfordern. Eine Lobby haben sie bislang nicht. Aber Verbündete, die nicht möchten, dass die Welt wieder ein Stückchen ärmer wird.

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