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Brandenburg: Hetzjagd-Prozess: Während Guben sich als Expo-Stadt feiert, jährt sich das Verfahren zum ersten Mal

Guben feierte sich an diesem Wochenende als Expo-Stadt. Unter dem Motto "Frühling an der Neiße" wurdeüber den Grenzfluss hinweg zur polnischen Nachbarstadt Gubin für die angeblich längste Kaffeetafel aufgetischt.

Guben feierte sich an diesem Wochenende als Expo-Stadt. Unter dem Motto "Frühling an der Neiße" wurdeüber den Grenzfluss hinweg zur polnischen Nachbarstadt Gubin für die angeblich längste Kaffeetafel aufgetischt. Aber mitten in der Feststimmung jährt sich ein Datum, an das sich die Gubener nicht so gern erinnern.

Vor einem Jahr, am 3. Juni 1999, begann der so genannte Hetzjagd-Prozess, bei dem sich elf junge Männer aus der 24 000-Einwohner-Stadt an der polnischen Grenze wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und Volksverhetzung vor dem Cottbuser Landgericht verantworten müssen.

Ihnen wird vorgeworfen, drei Ausländer im Februar 1999 durch die Straßen von Guben verfolgt zu haben. Der 28-jährige Algerier Farid Guendoul war in Panik durch eine verglaste Haustür gesprungen und dabei verblutet.

Das Prozessende war bereits für Herbst vergangenen Jahres geplant. Doch mit einer Vielzahl von Anträgen und Befangenheitsvorwürfen gegen die Richter der Jugendstrafkammer des Landgerichts Cottbus sorgten Verteidigung und teilweise auch die Nebenklage dafür, dass der Prozess kaum voran kam. Inzwischen sind immerhin die richterlichen Vernehmungsprotokolle aus der Ermittlungsphase verlesen worden.

Sie sollen belegen, was in der Tatnacht in Guben geschehen ist: Die durch Absprachen per Handy gesteuerte Suche nach einem dunkelhäutigen Ausländer, der einen Deutschen mit einer Machete verletzt haben soll. Nach Zeugenaussagen wurden Hass-Parolen und "Türken raus" geschrien. Einige der Angeklagten sollen nach Angaben der Nebenklägerin während der Verfolgungsjagd Musikkassetten mit rassistischen Liedern gehört und gesungen haben. "Wir hoffen, dass der Prozess im Sommer zum Abschluss kommt", sagt Staatsanwalt Günter Oehme. Aus der Sicht der Staatsanwaltschaft sei die Beweislage so weit klar, dass ein Urteil verkündet werden könne. Gegen öffentliche Kritik, die unter anderem auch von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in den letzten Monaten immer wieder an dem sich hinziehenden Verfahren geübt wurde, wehrt sich die Staatsanwaltschaft.

Das Verfahren ist nach Oehmes Einschätzung von gerichtlicher Seite "absolut in der Spur gelaufen". Das große Interesse der Öffentlichkeit sei nun einmal da, allerdings sei es nicht Aufgabe des Gerichts, gesellschaftspolitische Missstände in einer Hauptverhandlung auszutragen. Dort ginge es in erster Linie um eine juristische Beurteilung des Geschehens.

Der Gedenkstein in der Neißestadt, der seit über an einem Jahr an den Tod des Algeries erinnert, wurde vor einer Woche bereits zum vierten Mal geschändet: Ein angetrunkener 23-Jähriger urinierte - den Arm zum Hitlergruß erhoben - auf die Gedenkplatte. Dort steht der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Die Gedenkplatte war erst am 8. Mai erneuert worden, nachdem die ursprüngliche Platte Anfang März gestohlen worden war. Gegen den 23-Jährigen hat die Stadt inzwischen Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft prüft gegenwärtig, ob sie ein beschleunigtes Verfahren gegen den geständigen Mann aufnimmt.

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