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Hochwasserschutz: Alles gut am „Bösen Ort“

Schon vor mehr als 100 Jahren wollten die Menschen an der Prignitzer Elbe die Hochwassergefahr entschärfen. Nun gibt es einen zweiten Damm am sogenannten Bösen Ort - und eine riesige Überflutungsfläche.

Der „Böse Ort“ an der Elbe im äußersten Nordwesten Brandenburgs hat seit gestern seinen Schrecken zumindest bei der Ankündigung eines Hochwassers verloren. Denn bei Flut können die Wassermassen vor der 90-Grad-Biegung des Flusses bei Lenzen, die seit Jahrhunderten die Kapitäne von Binnenschiffen schier verzweifeln lässt, in eine riesige und vor allem unbewohnte Fläche strömen. Möglich macht das ein in Deutschland bislang einmaliges Projekt.

Für 11 Millionen Euro wurde hinter dem direkt am Flussufer befindlichen Deich in rund einem Kilometer Entfernung ein zweiter Damm errichtet. Der ist 7,2 Kilometer lang und schafft eine zusätzliche Überflutungsfläche von 420 Hektar Größe. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), beim Oderhochwasser 1997 als Deichgraf geadelt, vollzog die Inbetriebnahme am gestrigen Nachmittag mit einem nicht ganz üblichen Akt: Auf sein Kommando brachten Bagger einige breite Schlitze in die Krone des alten Deiches, durch die im Hochwasserfall das Wasser einströmen kann.

„Nach der Hochwasserkatastrophe 2002 wurde überall die Forderung laut, den Flüssen mehr Raum zu geben“, sagte Platzeck. „Aber von den vielen Vorschlägen blieb bisher nur das Projekt an der Elbe bei Lenzen übrig.“ Zwar habe es auch hier einigen Streit zwischen Naturschützern, Landwirten, Anwohnern und Flächeneigentümern gegeben. Aber letztendlich habe die Vernunft gesiegt.

Entscheidend war vor allem die Erinnerung an die Verteidigung des „Bösen Ortes“ im August vor sieben Jahren. Mit großer Wucht drückte damals der Fluss auf den Deich. Nur einige hunderttausend Sandsäcke verhinderten einen Deichbruch. Einwohner, aus ganz Deutschland angereiste freiwillige Helfer und vor allem hunderte Bundeswehrsoldaten waren im Einsatz. Taucher verstärkten den schon völlig aufgeweichten Deichfuß. Im Unterschied zu Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen blieb Brandenburg – auch wegen der guten Zusammenarbeit mit der Bundeswehr – von Überschwemmungen verschont. „Das ging aber nur um Haaresbreite gut aus“, erinnerte sich der Präsident des Landesumweltamtes, Professor Matthias Freude. „Nun werden wir in Kürze weitere Überflutungsflächen sowohl entlang der Elbe als auch an der Oder schaffen.“

Im Raum Lenzen werden durch den neuen Deich nicht nur 3800 Menschen und einige Gewerbebetriebe besser geschützt. Vielmehr würde der Pegel einer Hochwasserwelle durch die zusätzlich gewonnene Fläche um 40 Zentimeter sinken, wovon Wittenberge und das niedersächsische Hitzacker profitieren. Lenzen selbst freut sich über einen Auenwald. „Der wächst jetzt zwischen Alt- und Neudeich“, sagte Bürgermeister Christian Steinkopf. „Schon 1898 wollten unsere Vorfahren die Gefahren des ‚Bösen Orts’ entschärfen. 111 Jahre später hat es endlich geklappt.“ 

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