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Brandenburg: Im Sturzflug über die Urlauber

Kampfjets testen das Bombodrom-Gelände bei Wittstock. Das stört die Touristen im Nationalpark Müritz

Sewekow. Kurz nach 13 Uhr ist es mit der Ruhe am südöstlichen Ausläufer der Müritz vorbei. Ein Tiefflieger dreht hier sechs Schleifen. Elegant zieht der Pilot die Maschine nach oben, um gleich darauf im Sturzflug hinter der Waldkante zu verschwinden. Das Schauspiel wäre ganz schön, wenn der Lärm nicht wäre. Doch Tornados sind nun mal keine Segelflieger.

Nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei. Doch auf der Terrasse, auf der Liegewiese und auf dem Bootssteg des Seehotels Ichlim ist die Übung noch eine ganze Weile Gesprächsthema. Ichlim bei Sewekow liegt auf der Grenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Urlauber berichten aufgebracht von regelmäßigen Flügen mit entsprechendem Lärmpegel und empören sich über Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Der will nach den Brandenburger Sommerferien, am 18. August, den umstrittenen Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide in Betrieb nehmen. Der Nationalpark Müritz soll in der Einflugschneise für die Düsenjäger liegen, wodurch der Landkreis den Verlust von mehreren Hundert Arbeitsplätzen in der Tourismusbranche befürchtet.

Testflüge gibt es schon jetzt in anderen Anrainerorten des geplanten Übungsplatzes. So berichtet der Chef der Bioland-Ranch Zempow, Wilhelm Schäkel, von zwei Tornados, die kürzlich zwischen 12 und 13 Uhr ihre Schleife genau über die Ferienhäuser der Anlage zogen. Die Gäste waren vom Lärm so schockiert, dass sie die Polizei verständigten. Die gab ihnen die Beschwerdenummer der Luftwaffe. „Doch dort wurden sie nur belehrt, dass Flüge bis 150 Meter über dem Erdboden genehmigt seien“, sagt Schäkel. Er ist nicht nur Biobauer, sondern auch einer der Sprecher der Bürgerinitiative „Freie Heide“.

Dabei habe die Bundeswehr in der Anhörung der betroffenen Gemeinden schriftlich zugesichert, beim nördlichen Einflug über den Platz grundsätzlich eine Flughöhe von mindestens 300 Metern über Grund einzuhalten. In den Monaten Mai bis September sollten die Maschinen nicht tiefer als 500 Meter fliegen. „Was wird uns erst erwarten, wenn der Übungsplatz voll in Betrieb ist?“, fragt Schäkel. Er drücke die Daumen, dass sich die Anhänger der Freien Heide im Rechtsstreit gegen die Bundeswehr doch noch durchsetzen können.

Das hofft auch der Geschäftsführer des Seehotel Ichlim bei Sewekow. „Wenn der Übungsplatz wie geplant von Tieffliegern genutzt wird, sehen wir erhebliche Gefahren für das Bestehen unseres Unternehmens“, sagt Dirk Mähnert. „Durch massive Lärmbelästigung bleiben Gäste aus, die Kerosinablagerungen gefährden die Gesundheit, Truppenbewegungen schränken Wander- und Fahrradwege ein. Nicht zuletzt sinken die Grund- und Bodenwerte unserer Immobilien.“ Der Imageverlust sei beträchtlich.

Obwohl der Inlandtourismus zunehme, habe das Hotel erstmals in den Sommermonaten weniger Buchungen. „Auf Messen vermeiden wir jetzt die Information über die Nähe unseres Hotels zu Wittstock und zur Kyritz-Ruppiner Heide“, sagt der Chef. „Denn Wittstock wird inzwischen mit dem Bombodrom gleichgesetzt, und dort will man natürlich nicht Urlaub machen.“

Immer schwieriger werde es auch, Bankkredite zu bekommen. „Durch die verminderten Bodenwerte können wir keine Sicherheiten für Kredite für neue Investitionen mehr vorweisen“, sagt Dirk Mähnert. Bislang seien rund zwei Millionen Euro in das Hotel gesteckt worden, davon waren 370 000 Euro öffentliche Fördermittel. Laut Mähnert haben mittlerweile viele Investoren wegen der Bombodrom-Pläne der Region wieder den Rücken gekehrt.

Während Landrat Christian Gilde (SPD) allein in seinem Kreis Ostprignitz-Ruppin rund 800 Arbeitsplätze im Tourismus durch den Übungsplatz bedroht sieht, setzen andere Politiker ihre ganze Hoffnung auf die Bundeswehr. Wittstocks Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) spekuliert auf eine 800 Mann starke Garnison, die nach der Aufnahme des Übungsbetriebes der Luftwaffe eingerichtet werden soll. Das hat jedenfalls die Bundeswehr versprochen.

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