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Brandenburg: In aller Ruhe

Potsdams Innenstadt und eine Klinik mit fast 1000 Patienten wurden für eine Bombenentschärfung geräumt

Potsdam - Nach seinem 65 Minuten dauernden Einsatz war Sprengmeister Manuel Kunzendorf ziemlich wortkarg. „Erst wenn die Bombe verladen ist, habe ich irgendwann Ruhe zum Gespräch“, antwortete der 45-Jährige auf die Frage, wie die Entschärfung der amerikanischen Fünf-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gelaufen sei. Dann zog er sich zurück, um die durchlebte Anspannung zu verarbeiten.

Ganz Potsdam hatte ihm am gestrigen Vormittag alles Gute gewünscht. 5000 Menschen mussten für die Entschärfung des bei Bauarbeiten gefundenen Blindgängers vorsorglich ihre Wohnungen verlassen. Das Stadtzentrum mit dem Holländischen Viertel war seit 8 Uhr morgens weiträumig abgesperrt worden. 200 Mitarbeiter der Stadtverwaltung gingen von Haus zu Haus und forderten die Bewohner auf, sich in Sicherheit zu begeben – etwa in dazu vorgesehene Aufenthaltsräume außerhalb des Sperrkreises. Die Polizei fuhr mit Lautsprecherwagen durch die Straßen – und musste zu keinen „Zwangsmaßnahmen“ greifen, wie Einsatzleiter Jörg Barthel formulierte. „Alle haben freiwillig ihre Wohnungen verlassen“ – alle, von denen er wusste: „Zehn Prozent verstecken sich erfahrungsgemäß und umgehen die Räumung.“ Auch hatten offenbar nicht alle Potsdamer vorab von der Räumung erfahren: Einige ältere Leute hätten auf die Aufforderung zum Verlassen ihrer Wohnung leicht verwirrt reagiert, sagte Barthel.

Die besondere Schwierigkeit ergab sich aber aus der Lage der Bombe: Mitten auf dem Gelände des großen Klinikums „Ernst von Bergmann“ war sie bei der Verlegung von Rohren am 30. Dezember in zwei Meter Tiefe entdeckt worden.

Gestern nun waren neben den städtischen Beschäftigten 128 Polizisten, 184 Feuerwehrleute aus ganz Brandenburg, Mitarbeiter des Roten Kreuzes und 60 Bundeswehrsoldaten im Einsatz.„Wir haben ein riesiges logistisches Unternehmen gestartet“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). „Nie zuvor mussten wir ein Krankenhaus mit fast 1000 Patienten räumen.“ Es hatte denn auch Abstimmungsprobleme mit anderen Potsdamer Krankenhäusern gegeben: Vor allem die Wahl der großen Leichtathletikhalle am Potsdamer Luftschiffhafen für die Unterbringung der bettlägerigen Patienten war auf Unverständnis gestoßen.

Gestern Vormittag aber schienen sich die Betroffenen den Umständen entsprechend gut zu fühlen. „Jeder Patient erhielt einen Pfleger oder eine Krankenschwester als Betreuer“, erklärte Lazarettchef Rudolf Schulz. „Die Stimmung könnte kaum besser sein.“ 95 Patienten waren in die Halle verlegt worden, 50 weitere wurden für die Zeit der Räumung in anderen Krankenhäusern untergebracht. Die meisten Patienten aber wurden vorübergehend nach Hause geschickt. 30 Kranke blieben auch auf dem Klinikgelände: Sie waren nicht transportfähig und harrten in der Intensivstation in einem Gebäude aus, das auch bei einer Detonation der Bombe nicht beschädigt worden wäre.

Nach Auffassung von Sprengmeister Kunzendorf hatte die Stadt mit der Festlegung des großen Sperrkreises nicht übertrieben. „Die Bombe war durchaus gefährlich“, sagte er, als er sich etwas ausgeruht hatte. „Der Zünder erwies sich als äußerst labil. Als die Bombe damals aufschlug, ist er schwer beschädigt worden.“ Auf die Frage, ob sie während der Entschärfung auch hätte hochgehen können, winkte er aber ab. „Es ist mein Job, dass das nicht passiert.“ So konnten die Potsdamer ab halb zwei in ihre Wohnungen zurückkehren.

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