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Brandenburg: Innere Sicherheit: "Wir stehen vor einem neuen Phänomen" - Interview mit dem Verfassungsschutzchef Wegesin

Die Krawalle beim EU-Gipfel in Göteborg versetzten mit Blick auf das kommende Spitzentreffen in Genua auch Verfassungsschützer in Alarmstimmung. An den Göteborger Krawallen waren von deutscher Seite hauptsächlich Berliner und Brandenburger beteiligt.

Die Krawalle beim EU-Gipfel in Göteborg versetzten mit Blick auf das kommende Spitzentreffen in Genua auch Verfassungsschützer in Alarmstimmung. An den Göteborger Krawallen waren von deutscher Seite hauptsächlich Berliner und Brandenburger beteiligt. Insgesamt 200 militante Linksextremisten zählt der Verfassungsschutz in Brandenburg. Mit Heiner Wegesin, dem Chef der Landesbehörde, sprach Alex Desselberger.

Wie stellt sich Ihnen die Szene der Globalisierungsgegner zur Zeit dar?

Ganz schwierig. Es entwickeln sich gerade völlig neue Protest- und Aktionsstrukturen. Die etablierten Grenzen von Antifa, Flüchtlingshilfe und Umweltschützern kommen ins Rutschen. Die Bandbreite des Protests reicht von linksextremen Autonomen bis hin zu Mainstream-Verbänden, die Gewalt ablehnen. Eine paradoxe Situation entsteht: Die Gegner der Globalisierung sind dabei, sich global zu vernetzen. Bei internationalen Gipfeln marschieren zum Beispiel im Prinzip friedliche deutsche Ökopaxe Hand in Hand mit hoch aggressiven Ökobewegten aus den USA. Wir müssen zugeben: Die Göteborger Krawalle hatten auch für Polizei und Verfassungsschutz ein echtes Überraschungselement.

Inwiefern?

Wir waren über den Mobilisierungseffekt der internetgestützten Kampagnen erstaunt. Die internationalisierte Szene agiert spontan und eventbezogen, ohne, wie es in den etablierten Strukturen bisher üblich war, Bündnisse in aufwändigen Gremienverhandlungen zu bilden. Da entwickeln sich hochflüchtige und manchmal hochexplosive Gemische.

Heißt das: Durch die Internationalisierung wächst die Militanz?

Darauf gibt es Hinweise. Der deutsche Demonstrant etwa, der in Göteborg noch mit Beinschuss im Krankenhaus liegt, ist bisher nie militant aufgefallen, eben ein Ökopax mit linken Ansichten. In Göteborg soll er aber nach Angaben der schwedischen Kollegen auf einen am Boden liegenden Polizisten Steine geworfen haben. Während die aktionistisch orientierten Autonomen ihre politischen Parolen hochhalten, aber auch Spass haben wollen, haben wir es in der Protestszene jetzt aber mit Leuten mit einem ungeheuren moralischen Impetus zu tun. Daraus kann sich schnell ein neues Gewaltethos entwickeln. Von einem Ökoterrorismus kann man aber noch nicht sprechen.

Befürchten Sie eine Art neue RAF?

Eine neue RAF erkenne ich nicht. Sie war das Produkt ihrer Epoche. Allerdings: Die Leute, die wir jetzt sehen, die mit hohem moralischen Anspruch eine Mission erfüllen und die Welt verändern, ihrer Meinung nach schlimme Sachen verhindern müssen - die können eine große Radikalität entwickeln. Da können auch schnell einmal alle Hemmungen fallen, und jedes Mittel der Gewalt erscheint gerechtfertigt.

Vor diesem Hintergrund: Was unternehmen die Behörden zum Gipfel in Genua, der für die Gegner ja viel wichtiger ist als Göteborg?

Genua kann heavy werden. Die italienische Szene ist gut organisiert und sehr reizbar. Wir rechnen mit mehreren hundert deutschen Teilnehmern. Es werden sicher Vertreter deutscher Sicherheitsbehörden vor Ort sein. Mit uns bekannten Gewaltbereiten werden im Vorfeld Gefährdungsansprachen durchgeführt. Bewährt haben sich, auch schon bei den Fußball-Hooligans, Melde- sowie ausreisebeschränkende Maßnahmen.

Damit werden Sie kaum alle potenziellen Krawallmacher erreichen.

Stimmt. Wir werden das klassische autonome Milieu abgrasen, aber hie und da kann man auch mal ins Leere greifen. Wir stehen teilweise vor einem völlig neuen Phänomen.

Wie stellt sich Ihnen die Szene der Globalisierung

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