zum Hauptinhalt

Brandenburg: Leistungsbedingte Zahlung: "Notsituation der Hochschulen muss ab 2002 ein Ende haben"

Johanna Wanka ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Sie war zuvor Rektorin der Fachhochschule Merseburg.

Johanna Wanka ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Sie war zuvor Rektorin der Fachhochschule Merseburg.

Kaum 100 Tage im Amt, mussten Sie wegen der Haushaltszwänge schon Abstriche am Hochschuletat 2001 hinnehmen. Sind Sie ernüchtert?

Nein, der Doppelhaushalt 2000/2001 ist ja schon vor meinem Amtsantritt beschlossen worden. Ich habe von Anfang an gesagt, dass vor diesem Hintergrund für 2001 keine Verbesserungen möglich sind.

Aber von einer Verschlechterung haben Sie auch nicht gesprochen.

Wegen der Einahmeausfälle wird im Nachtragshaushalt 2001 bei allen Ressorts der Rotstift angesetzt. Es werden noch keine Prioritäten gesetzt.

Und das nehmen Sie einfach hin?

Ja, weil eine Prioritätendiskussion auf die Schnelle kontraproduktiv wäre. Da kann man nur verlieren. Aber die CDU bereitet eine Prioritätendiskussion für die Verhandlungen über den Haushalt 2002 vor. Diese Debatte über Prioritäten, die Brandenburg setzen will, ist unabdingbar und überfällig.

Mit welchem Ziel gehen Sie als Hochschul- und Kulturministerin in diese Debatte?

Ich möchte, dass Wissenschaft und Kultur einen dem Koalitionsvertrag entsprechenden höheren Stellenwert bekommen.

Die Hochschulen haben bisher in der Politik keine richtige Lobby?

Ja, das ist wirklich ein Problem. Es hängt mit der Zusammensetzung des Landtags zusammen, in dem jeder Abgeordnete zunächst seine regionalen Bezüge hat. Hochschulpolitik gehört selten zu den Domänen. Dennoch drängt zunehmend ins Bewusstsein: Brandenburgs Hochschulen müssen besser ausgestattet werden. Die Notsituation muss ab 2002 ein Ende haben.

Manche sagen, dass die Hochschulausgaben mittelfristig verdoppelt werden müssten, damit Brandenburg den Rückstand zu anderen Ländern aufholt?

Diese Forderung der Landesrektorenkonferenz teile ich nicht, weil sie nicht realistisch, nicht verhältnismäßig ist. Die Hochschulen fordern das seit vielen Jahren, passiert ist nichts. Ich tue ihnen aber keinen Gefallen, wenn ich jetzt ins gleiche Horn blase. Mein Ziel sind aber spürbare Verbesserungen.

Brandenburg wird nicht bundesweites Schlusslicht bei den Pro-Kopf-Ausgaben für die Wissenschaft bleiben?

Ich bin auch angetreten, damit es anders wird. Schlusslicht zu sein, ist auch psychologisch schlecht, hat eine schädliche Signalwirkung nach außen. Die Pro-Kopf-Ausgaben zeigen, welchen geringen Stellenwert das Land bislang der Wissenschaft beimisst. Allerdings sollte man nie allein auf eine Kennziffer starren. Bei den Ausgaben je Studierenden liegt das Land im Vergleich gut.

Kann sich ein so dünn besiedeltes und armes Flächenland wie Brandenburg überhaupt ein so dichtes Hochschulnetz leisten?

Um das Land für die Zukunft zu rüsten, muss die Hochschullandschaft bestehen bleiben. Dies ist das Ziel einer Vorlage zur neuen Hochschulplanung bis 2010, vielleicht sogar 2015, mit der ich Ende Januar/Anfang Februar ins Kabinett gehen werde.

Und was ist, wenn es bei sinkenden Hochschulausgaben bleibt?

Wenn das so wäre, müsste man sagen: Lieber weniger, aber ordentlich! Man müsste sich klar entscheiden. Aber wie gesagt: Das ist nicht meine Intention und wäre auch nicht gut für die Entwicklung Brandenburgs. Deshalb müssen sich auch die Hochschulen selbst bewegen. Da sehe ich noch Luft.

Was meinen Sie damit?

Wir müssen mit einer grundlegenden Reform der Strukturen beginnen. Die Art und Weise, wie Hochschulen in Brandenburg gesteuert und finanziert werden, muss sich generell ändern.

Das heißt konkret?

Bislang fehlen jegliche Leistungsanreize. Die Hochschulen bekommen ihre Zuweisungen vom Land aufgrund von Bedarfsanmeldungen. Es spielt keine Rolle, wie viele Studenten eingetragen und wie gut die Angebote sind. Es wird auch nicht honoriert, wie viele Eigenmittel aufgebracht werden. Wir wollen ab 2002 zu einer Finanzierung kommen, die Leistung belohnt: Die Rektoren haben das mit einer gewissen Sympathie aufgenommen, aber es wird einen Aufschrei geben, wenn es Ernst wird.

Kein Wunder, denn wie sollen die Leistungen von heterogenen Hochschulen in einem Flächenland gerecht verglichen werden?

Es geht. Natürlich kann die Viadrina in Frankfurt nicht mit der Potsdamer Uni gleichgesetzt werden, oder eine schlecht untergebrachte Einrichtung mit der Hochschule für Film- und Fernsehen, die gerade einen modernen Neubau bezogen hat. Solche Ungerechtigkeiten könnten durch einen auf die jeweilige Hochschule zugeschnittenen Sockelbetrag ausgeglichen werden - die restlichen Zuweisungen des Landes richten sich nach den Leistungen der Hochschulen.

Nach welchen Kriterien sollen sie gemessen werden?

Es geht um eine umfassende Bewertung, die Absolventen, Studienanfänger, Gesamtstudentenzahl, Forschungsleistungen einbezieht. Das Land Rheinland-Pfalz gibt zum Beispiel für jede Mark, die Hochschulen an Drittmitteln einwerben, eine Mark dazu. Eine Mark werden wir in Brandenburg nicht haben, vielleicht aber 30 Pfennige. Dieser Weg wird sich für die Hochschulen auszahlen. Sie sollen künftig über ihren Etat weitgehend frei verfügen können.

Werden Sie das Hochschulgesetz der SPD-Alleinregierung novellieren, an dem die CDUOpposition damals heftige Kritik übte?

Das Brandenburger Hochschulgesetz war ein Versuch, der an einigen Punkten korrigiert werden muss. Für Details ist es noch zu früh. Aber es gibt Reparaturbedarf.

Wie bewerten Sie das Image der brandenburgischen Hochschulen im Vergleich zu anderen Bundesländern?

Wenn man es an objektiven Kriterien misst, also Wanderungsbewegungen, dann liegt Brandenburg nicht im Vorderfeld. Von den Flächenländern steht Sachsen mit einem Nettogewinn von 10 Prozent ganz klar vorn. Brandenburg hat eine Negativbilanz wie andere Länder auch.

Was muss passieren, damit es anders wird?

Es ist nicht leicht. In den alten Ländern gilt der Osten immer noch als Provinz, was ja oft auch stimmt. Das ist eine Hemmschwelle, hierher zu kommen. Wer allerdings einmal hier ist, der bereut es selten. Um Brandenburg als Hochschulstandort attraktiver zu machen, muss man die Hochschulen besser ausstatten, moderne Angebote machen, die Lehre stärker in den Mittelpunkt rücken. Wünschenswert wäre auch eine gemeinsame Marketing-Kampagne für die Hochschulregion Berlin-Brandenburg.

Sie wollen die Zusammenarbeit mit Berlin im Hochschulbereich verbessern?

Ich glaube, dass beide Länder bei Wissenschaft und Kultur schneller gemeinsam vorwärts gehen können als zum Beispiel in der Justiz, oder bei der Polizei. Deshalb werden wir bei der Novellierung des Hochschulgesetzes darauf achten, dass es mit dem Berliner harmoniert. Es gibt bereits viele gemeinsame Projekte, so in der Biotechnologie. Auch die Studierendenzahlen und Fächerprofile sollten stärker abgestimmt werden: So bildet Brandenburg bereits für Berlin die Grundschullehrer aus, verzichtet dafür längerfristig auf Sonderpädagogik. Wir wollen zu noch engeren Kooperationsformen kommen. Da die Kassen knapp sind, haben beide Länder den nötigen Leidensdruck.

Welche Akzente wollen Sie in der Kulturpolitik setzen, nachdem Brandenburg vor allem mit Theater- und Orchesterschließungen bundesweit für Schlagzeilen sorgte?

Wir entwickeln eine Kulturkonzeption, von der schon seit Jahren geredet wird. Im Frühjahr wird sie vorliegen.

Ein Konzept setzt eine Zustandsanalyse voraus.

Ja, und nach meiner Einschätzung ist die Situation etwas verfahren. Abgesehen davon, dass der Etat höher sein könnte, sind fast alle Mittel fest gebunden. Dadurch gibt es fast keine kulturpolitischen Bewegungsspielräume. Das darf nicht so bleiben.

Warum?

Auch wenn es sich um sinnvolle Projekte handelt, muss geprüft werden, ob nicht andere Prioritäten gesetzt werden sollten. Denn für manche Dinge, die gemacht werden müssten, ist kein Geld da. Aus dieser Zwickmühle müssen wir raus. Das geht nur, wenn es klare Prioritäten gibt, andere Finanzierungsträger gesucht, notfalls auch Schnitte gemacht werden. Die noch weit verbreitete Erwartungshaltung, dass der Staat alles bezahlt, trägt den neuen finanziellen Realitäten nicht Rechnung.

Das heißt, insgesamt nicht mehr Geld für die Kultur, aber neue Prioritäten?

Ein Aufwuchs ist nicht realistisch. Über die internen Prioritäten und Proportionen muss diskutiert werden. Die Kultur ist - Gott sei Dank - nicht so teuer wie die Wissenschaft. Man kann auch mit weniger Geld etwas machen. Im Moment ist die Situation sehr diffus, da nicht klar ist, wo sich das Land langfristig in der Pflicht sieht. Diese Planungssicherheit muss es künftig geben

Kaum 100 Tage im Amt[mussten Sie wegen der Hausha]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false