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Brandenburg: Löcher fürs Leben

Claus-Dieter Steyer

Die Liegestühle, die da an der Abbruchkante eines Tagebaus stehen, kommen mindestens zehn Jahre zu früh. Noch fällt der Blick nur in eine staubige große Grube, in der ein mächtiger Schaufelradbagger Unmengen von Erde bewegt. Erst im kommenden Herbst wird die letzte Kohle herausgeholt, dann werden die Pumpen abgestellt. Langsam wird das Grundwasser nach oben steigen. Großräschen, die alte Bergarbeiterstadt im Lausitzer Kohlerevier, erhält einen großen See mit Badestrand, Ausflugsrestaurant – und reichlich Platz für Liegestühle. 2015, vielleicht auch erst 2020, wird die Grube gefüllt sein, genau wie die anderen Löcher in der Nachbarschaft. Über 14 000 Hektar Wasserfläche entstehen im südlichen Brandenburg und im angrenzenden Sachsen.

Erst dann werden die Liegestühle wirklich passen. Aber die Macher der Internationalen BauAusstellung (IBA) Fürst- Pückler-Land haben sie schon jetzt an ihrem Besucherzentrum IBA-Terrassen in Großräschen aufgestellt. Seit 2000 begleitet die IBA die gigantische Umgestaltung der Landschaft. Auf zehn Jahre angelegt, zieht sie jetzt Halbzeit-Bilanz – und darf zufrieden sein. Die IBA weckt Visionen, gibt Anstöße, bewahrt wertvolle Kultur- und Industriezeugnisse vor der Zerstörung, holt Künstler und Architekten ins Land und erschließt die Region für Touristen. Zu den erfolgreichen Projekten gehören die als „liegender Eiffelturm“ bekannt gewordene Bergbau-Förderbrücke F 60, die rekonstruierte Slawenburg Raddusch, Kutsch- und Radwege. Spektakulärstes Vorhaben aber bleibt die Seenkette mit schiffbaren Kanälen.

Gleichwohl, und bei aller Neugier auf die veränderte Landschaft, stellt sich nicht bei jedem sofort Begeisterung ein. Gerade das Seenland erweckt bei der älteren Generation auch Wehmut: Die Tagebaue raubten vielen Menschen ihre Heimat. Großräschen beispielsweise verlor in den letzten Jahren der DDR noch einen Ortsteil für ehemals 4000 Bewohner. Zugleich gab die Kohle der Lausitz Arbeit und Wohlstand; mit dem Aus für die meisten Tagebaue und Kraftwerke endeten auch tausende Erwerbsbiografien.

Ersatz war lange Zeit nicht in Sicht. Das neue Seenland aber verspricht tatsächlich viele Chancen – für Hoteliers, Gastronomen, Segel- und Bootsschulen, Radwander-Büros, Touristenführer und, ja, Verleiher von Liegestühlen.

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