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Brandenburg: Märkische Machenschaften

Thorsten Metzner

Erst Neuruppin mit der XYBande, jetzt Brandenburg an der Havel: Erneut wird eine märkische Stadt durch einen Skandal erschüttert. Brandenburgs SPD-Bürgermeister Norbert Langerwisch hat sich von einem stadtbekannten Unterwelt-Zampano vor einem Jahr im Oberbürgermeister-Wahlkampf helfen lassen – und dann die Öffentlichkeit über die kumpelhaften Kontakte zu dem jetzt angeklagten Drogendealer und früheren V-Mann belogen. Was ist plötzlich los im Brandenburgischen?

Leider muss man sogar Fortsetzungen befürchten. Der Nährboden, in dem so etwas gedeihen kann, ist gar nicht so selten im Lande. Besonders anfällig sind kleine, im eigenen Saft schmorende Städte. Da kennt man sich, hält zusammen, pflegt Freundschaften wie Feindschaften. Da regiert oft ein für Außenstehende schwer durchschaubares Beziehungsgeflecht mit persönlichen Abhängigkeiten und Befangenheiten. Da gehen kommunale Politik und Wirtschaft fließend ineinander über, Kleinstadt-Filz eben. Alarmieren muss, dass in Neuruppin und Brandenburg plötzlich Kriminelle im Spiel sind.

Hängen diese neuen Grenzüberschreitungen womöglich damit zusammen, dass es im Osten längst eine geduldete Grauzone zwischen legalem und illegalem Wirtschaften gibt? Dass Schwarzarbeit so allgegenwärtig ist wie Steuer- Tricksereien und selbst Fremde in einer märkischen KfZ-Werkstatt schon mal offen gefragt werden: „Mit oder ohne Rechnung?“ Das mögen übliche Begleiterscheinungen der Wirtschaftskrise sein. Aber sie zeugen auch von der Erosion gesellschaftlich-politischer Kultur und Moral, von schwindendem Bewusstsein, was man tut und was man zu lassen hat: Sitten verlottern, Maßstäbe schwinden.

In der Stadt Brandenburg ist deshalb erschreckender als der Skandal selbst der laue Aufschrei, der laxe Umgang damit. Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) will zwar versuchen, ihren Stellvertreter abwählen zu lassen – doch sie riskiert eine Niederlage. Die Mehrheiten im Stadtparlament sind äußerst knapp, der populäre wie reuige Bürgermeister hat viele Freunde. Und: Gerade in kleinen Städten sind eben auch lokale Medien ein politischer Faktor: Da enthüllte pikanterweise der private Stadtsender, der dem Ehemann der CDU-Oberbürgermeisterin gehört, als Erster die Affäre um Langerwisch. Dem SPD-Politiker wiederum ist die einflussreichere Lokalzeitung nicht erst jetzt auffällig gewogen. Das Blatt hat Langerwischs Grenzverletzung von Anfang an heruntergespielt.

Dabei war sie mehr als eine „politische Dummheit“. Denn als Vize-Stadtoberhaupt Langerwisch die Nähe zu der verhafteten Kiezgröße leugnete, jedwede Wahlhilfe dementierte und damit log, wussten das ein dutzend befreundete Unternehmer – die teilweise auch mit der Stadt Geschäfte abwickeln. Brandenburgs Bürgermeister und Baubeigeordneter war mithin monatelang nicht frei in seiner Amtsführung, im schlimmsten Fall sogar erpressbar. Freilich, selbst das ist irgendwann egal, wenn die allgemeine Stimmung so ist, wie sie ist – und durch den Skandal noch bestärkt wird: dass Politiker ja sowieso lügen.

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