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Brandenburg: Michelangelos Volkswagen

Erstmals öffnete das Potsdamer VW-Design-Center seine Türen - hier werden Autos der Zukunft kreiert

Potsdam - In der 600 Quadratmeter großen Präsentationshalle steht ein „Magellan“. Ein wuchtiger Geländewagen, ein Einzelstück, das nicht in Serie ging. Doch im VW-Design-Center an der Potsdamer Schiffbauergasse ist dies keine Überraschung: Hier werden Fahrzeuge für die Zukunft kreiert, normalerweise unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Gestern allerdings öffnete das von Architekt Moritz Kock entworfene, 27 Millionen Euro teure Center erstmals seine Türen für Journalisten, seitdem es vor eineinhalb Jahren die Arbeit aufnahm.

„Hier entstehen die Autos von morgen“, sagt Hartwig von Saß von der VW-Konzernkommunikation. Würden heute schon Bilder von einem „Erlkönig“ veröffentlicht, wie Prototypen auch genannt werden, entstünde VW „ein Wettbewerbsnachteil“.

Aus diesem Grund sind die anderen Autos in der Halle mit Planen abgedeckt. „Einige Design-Entwürfe haben wir heute sogar versteckt“, ergänzt der Leiter der Design-Abteilung des VW-Konzerns, Murat Günak. Er ist Chef von 263 Mitarbeitern, die an zwei Standorten in Deutschland arbeiten: Potsdam und Wolfsburg.

Der Leiter des Potsdamer Centers heißt Thomas Ingenlath, ein sportlicher Mittdreißiger, der das Aussehen des aktuellen Skoda Octavia gestaltet hat. Bis die ersten Autos, deren Design in Potsdam entworfen wird, durch die Straßen rollen, vergehen laut Ingenlath allerdings eineinhalb bis zwei Jahre. Gegenwärtig werde in Potsdam gleich an vier VW-Modellen gearbeitet. „Alle kommenden Autos der nächsten vier Jahre sind in unserem Orbit.“.

Der Hausherr führt über die Design-Galerie. Hier entstehen die ersten Entwürfe. Der Chef spricht die Designer mit Vornamen an. Einer heißt J.P. und kommt aus England, Sascha kommt aus Russland. Sie zeichnen traditionell mit Stift und Papier oder auf einer digitalen Unterlage, die gezeichneten Linien erscheinen sofort auf dem PC-Monitor, der zweidimensionale Abbildungen zeigt. Dreidimensional geht es eine Etage tiefer zu. Hier können die Entwürfe in 3-D visualisiert werden.

Doch trotz höchster Rechnerleistung „kann man erstaunlich viel nicht am Computer sehen“, verrät Ingenlath. Ein Zehntelmillimeter entscheide, ob das Auto einen kraftvollen Eindruck macht „oder ob es in der Mitte durchhängt“. Deshalb werden aus favorisierten Entwürfen Modelle in echter Größe hergestellt. Dies geschieht mit technischem Ton, der bei einer Temperatur von 50 Grad Celsius formbar wird. Mit einem Fön wird Schicht um Schicht aufgebracht. Dann wird getan, was schon Michelangelo am Marmorblock tat, um eine Skulptur zu schaffen: Das, was zu viel ist, wird entfernt. In diesem Fall feilen und spachteln die VW-Mitarbeiter an dem braunen Ton, bis glatte Oberflächen entstehen. Dann bringen sie silberne Folien auf, die dem Auto ein täuschend echtes Aussehen verleihen. Geht ein Modell in Serie, bleiben vom Urentwurf etwa 60 Prozent übrig.

Der Auto-Designer kreiere die automobile Welt der Zukunft - der dicke „Magellan“ in der Präsentationshalle entpuppt sich aber als ein Objekt der Nostalgie. Wie Ingenlath sagt, haben viele der Potsdamer Designer zuvor in einem spanischen VW-Design-Center gearbeitet. Dort ist der „Magellan“ entstanden. Magellan war der Entdecker der nach ihm benannten Seestraße. Ein passender Name für ein Auto.

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