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Nazi-Kriegsverbrechen: Razzia bei mutmaßlichen SS-Kriegsverbrechern

Mehr als 67 Jahre nach dem Massaker der Waffen-SS an den Bewohnern des französischen Ortes Oradour-sur-Glane haben Ermittler die Wohnungen von sechs Verdächtigen durchsucht, auch in Brandenburg.

Von Matthias Matern

Die Verdächtigen sollen als Angehörige einer Waffen-SS-Einheit an der Ermordung von 642 Menschen, darunter überwiegend Frauen und Kinder, beteiligt gewesen sein, sagte Staatsanwalt Andreas Brendel am Montag in Dortmund. Die Verdächtigen leben in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Brandenburg. Die Ermittlungen seien durch einen Hinweis aus der Stasi-Unterlagenbehörde ins Rollen gekommen.

Staatsanwalt Andreas Brendel bestätigte, dass die Verdächtigen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Brandenburg leben. Der Mann aus Brandenburg lebe in einem "kleinen Ort bei Berlin", wo genau, wollte der Ermittler nicht sagen. Der Mann sei kaum Vernehmungsfähig. 

Die Ermittlungen seien durch einen Hinweis aus der Stasi-Unterlagenbehörde ins Rollen gekommen, so Brendel. Dort waren in DDR-Akten Spuren auf die damals 18 und 19 Jahre alten Männer entdeckt worden. Die Beschuldigten, gegen die wegen Beihilfe zum Mord ermittelt werde, hätten ihre Tatbeteiligung bestritten oder seien nicht vernehmungsfähig gewesen. Wesentliche Beweismittel seien bei den Durchsuchungen nicht entdeckt werden. Man habe gehofft, Tagebücher, Dokumente oder Fotos aus der damaligen Zeit sicherstellen zu können. Die anderen Verdächtigen leben im Großraum Hannover, in Köln, im Raum Bielefeld und im Raum Darmstadt.

Der heute 86-jährige Beschuldigte aus Brandenburg sei vom DDR-Geheimdienst bei dessen Ermittlungen zum Massaker als "hoch verdächtig" eingestuft worden, galt aber in erster Linie als Zeuge im Verfahren gegen SS-Obersturmführer Heinz Barth, der in der DDR wegen seiner Beteiligung am Massaker 1983 zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden war. 1997 war er aus der Haft entlassen worden. Barth starb im Jahr 2007. 

Am 10. Juni 1944 war die Waffen-SS in den Ort Oradour-sur-Glane eingefallen und hatte fast die gesamte Bevölkerung ermordet. Frauen und Kinder - auch Babys - wurden in eine Kirche gesperrt, die dann gesprengt und angezündet wurde. Die Männer des Ortes wurden in Scheunen und Garagen getrieben und dort erschossen. Sämtliche Häuser wurden von der SS angezündet. Der völlig zerstörte Ortskern wurde nicht wieder aufgebaut und ist noch heute eine Mahn- und Gedenkstätte.

Anlass des Massakers soll die Gefangennahme eines SS-Sturmbannführers durch Widerstandskämpfer gewesen sein. Wegen der Gräueltat hatte es Gerichtsprozesse in Frankreich und in der DDR gegeben. In der Bundesrepublik war zwar mehrfach ermittelt worden, die Ermittlungen mündeten aber nie in eine Anklage. Bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft ist die Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Nordrhein-Westfalen angesiedelt. (pnn mit dpa)

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