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Brandenburg: Picknick gegen Tiefflüge

Mehrere tausend Ostermarschierer zogen zum geplanten Bombodrom bei Wittstock – und setzten sich in die Sonne

Fretzdorf. Der Wind meinte es am Sonntag gut mit den Ostermarschierern am Rande des Truppenübungsplatzes bei Wittstock: Im richtigen Augenblick erfasste eine starke Böe die große Wiese hinter dem kleinen Fretzdorf, auf der die Kundgebungsteilnehmer Tausende Luftballons mit Papierkranichen starten wollten. Das Vorhaben gelang. Viele bunte Punkte schwebten in den blauen Himmel. Bei Windstille wären sie wahrscheinlich in den Bäumen hängen geblieben und mit ihnen die handgeschriebenen Botschaften: „Der Frieden braucht kein Bombodrom!“, „Krieg fängt mit Üben an“ oder „Tourismus statt Tiefflüge“. Mit 6000 Teilnehmern sei dieser Ostermarsch der größte seit elf Jahren gewesen, erklärten die Veranstalter. Die Polizei zählte dagegen nur 3200 Marschierer.

Die Papierkraniche hatten in den vergangenen Tagen Kinder und Erwachsene in den Dörfern rund um den 144 Quadratkilometer großen Übungsplatz zwischen Neuruppin, Rheinsberg und Wittstock gefaltet. „Ganz bewusst nehmen wir das nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki zum Friedenssymbol gewordene Zeichen auf“, sagte Pfarrer Benedikt Schirge, Sprecher der seit 11 Jahren gegen eine militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide kämpfenden Bürgerinitiative. Und die Ballons mit den Kranichen konnten auch ungestört in den Himmel steigen: Die Initiative „Pro Bundeswehr“, die sich von einer neuen Garnison viele Arbeitsplätze verspricht, wollte von einem Flugzeug aus Flugblätter über den Demonstranten abwerfen. „Aber das Ordnungsamt hat die Aktion untersagt, um Provokationen zu unterbinden“, berichtete Schirge. Die Bundeswehr, die den in den fünfziger Jahren von der Sowjetarmee eingerichteten Platz seit Jahren beansprucht, beobachtete die Kundgebung aus sicherer Distanz. So verlief die dreistündige Veranstaltung in voller Harmonie. Während die Redner ihre Argumente gegen die Tiefflüge und Bombenübungen aufführten, praktizierten die meisten Teilnehmer ihre Vorstellungen von einer Heide ohne Flugzeuglärm: Sie genossen bei einem Picknick im Grünen die ruhige Landschaft und die Sonne.

„Damit könnte es bald vorbei sein“, warnte der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele. Seiner Kenntnis nach wolle auf dem Übungsplatz nicht nur die Bundeswehr trainieren, sondern auch andere Nato-Armeen. Der rot-grüne Koalitionsausschuss wird sich Ströbele zufolge vermutlich in der ersten Maiwoche mit dem Thema beschäftigen. Seine Fraktion werde „alles Mögliche“ gegen den Übungsplatz tun.

Deutlicher wurde der SPD-Landrat Christian Gilde. „Die Haltung der Bundes- und Landes-SPD zum Bombodrom ist beschämend“, sagte er. „Falls die Bundeswehr tatsächlich kommt, holen wir unsere Klageschriften aus den Schubladen.“ Während sich von den Brandenburger Landespolitikern niemand sehen ließ, sammelte der stellvertretende Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling (PDS), Sympathiepunkte. „Tiefflüge über der Müritz und der Mecklenburgischen Seenplatte bedeuten nur eins: Abschwung Ost durch Zerstörung des Tourismus.“ Seine Landesregierung lehnt den Übungsplatz deshalb grundsätzlich ab.

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