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In Konkurrenz vereint. Hans-Jürgen Scharfenberg (links) und Jann Jakobs.

© Manfred Thomas

Potsdam: Oberbürgermeister-Stichwahl: Kurz vor Schluss wird’s endlich spannend

Die Potsdamer haben die Wahl, wen sie im Rathaus sehen wollen. Am Sonntag fällt die Entscheidung zwischen Amtsinhaber Jann Jakobs und Linke-Kandidat Hans-Jürgen Scharfenberg.

Jakobs und Scharfenberg, das ist ein eingespieltes Team, die Rollen klar verteilt, sie kennen einander wohl besser als die meisten ihrer eigenen Parteigenossen. Im historischen Sitzungssaal des Potsdamer Stadthauses haben sie sich Wortgefechte geliefert, lokalpolitische Schlachten geschlagen, sich im Dauerwahlkampf geübt, seit Scharfenberg, der Linke mit Schnauzer, dem bärtigen Ostfriesen Jakobs bei der Wahl 2002 bis auf 122 Wählerstimmen auf die Pelle gerückt war. Jetzt gilt es wieder. Am Sonntag entscheiden die Potsdamer, ob im Rathaus alles so bleibt wie es ist, für die nächsten acht Jahre – oder ob Scharfenberg kommt.

Seit dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen, als Jakobs mit acht Prozent der Stimmen vor Scharfenberg über die Ziellinie ging, bemüht sich der Linke, Distanz aufzumachen. Er fährt jetzt scharfe Angriffe gegen Jakobs’ Politik und Amtsführung, zählt in einem Bürgerbrief angebliche Versäumnisse und Fehlentscheidungen auf. Kein einziges Vorhaben, schreibt Scharfenberg, habe Jakobs „programmatisch formuliert, konsequent verfolgt und zum Erfolg geführt“. Der Amtsinhaber blende aus, dass er, Scharfenberg „häufig der Impulsgeber war und beharrlich drangeblieben“ sei. Jakobs habe einigen Schaden angerichtet, mit dem gescheiterten Niemeyer-Bad am Brauhausberg vier Millionen Euro versenkt, durch Zögern und fehlerhaftes Agieren die teuren Uferkonflikte am Griebnitzsee und in Groß Glienicke befördert, das dringend benötigte Tierheim ohne Alternative geschlossen. Scharfenberg und seine Linke hätten dagegen konstruktiv gewirkt. Die Ansiedlung des Möbelhauses in Drewitz mit mehr als 250 Arbeitsplätzen gehe auf ihr Konto, die Sanierung aller Schulen und Kitas bis 2014, das lang umstrittene Jugendprojekt „Freiland“.

Mit dem Rathausbündnis gegen die Linke, das Jakobs seit zwei Jahren sichere Mehrheiten garantiert, vertiefe der Amtsinhaber die Spaltung der Stadt, meint Scharfenberg. Potsdam, appelliert er an die Wähler, brauche den Wechsel. Dafür hält er im Akkord „Sprechstunden unter freiem Himmel“ ab, vorzugsweise in den südlichen Plattenbaugebieten, trifft sich mit dem Investor für die alte Kaufhalle am Schlaatz, stellt ein Konzept für einen besseren Bürgerhaushalt vor, schlägt sein 100-Tage-Programm an der Tür des Stadthauses an. Auf den letzten Drücker wird außerdem der altbekannte Hartz-IV-Wahlkampf der Linken wieder belebt.

Und wie reagiert Jakobs? Der Amtsinhaber verteilt in der Woche vor der Stichwahl jeden Morgen ab 7 Uhr mit seinen Genossen am Hauptbahnhof die Wahlkampf-Sonderausgabe des Potsdamer SPD-Blattes. Die Botschaft ist klar: Wer nicht will, dass Scharfenberg Oberbürgermeister wird, müsse Jakobs wählen. Jakobs hat das Rathaus-Bündnis mit CDU, Grünen und FDP im Rücken.

Jakobs hält sich zugute, die Chancen der Stadt erkannt und sie genutzt zu haben. Stadtsanierung in Platte und Mitte, der neue Landtag mit Schlossfassade, das Kultur- und Gewerbezentrum Schiffbauergasse, das Alte Rathaus als neues Domizil für das Potsdam-Museum, geringe Arbeitslosenquote, prosperierende Wirtschaft, ein ungebrochener Strom an Zuzüglern, städtische Unternehmen, die schwarze Zahlen schreiben, Bürgerservice, Wirtschaftsgründerservice, Babybegrüßungsdienst und Bauservice in der Verwaltung. Die SPD ist bei ihrer Wahlkampfstrategie geblieben, Scharfenbergs DDR-Vergangenheit als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit nicht zu thematisieren. Wahlentscheidendes Thema ist Scharfenbergs Biografie trotzdem. Er wäre der erste Oberbürgermeister bundesweit mit einer bekannten IM-Vergangenheit. CDU und Grüne haben bekannt, „wir wollen keinen Stasi-Oberbürgermeister“. So werden, hofft das Rathaus-Bündnis, viele Stimmen für Jakobs zusammenkommen – als Stimmen gegen den Ex-IM.

Ob das bürgerliche Potsdam, die Wähler von CDU, Grünen und FDP, sich in großer Mehrheit darauf einlässt, gilt als offen. Nur Tage vor dem Urnengang verstärkt der Fall Kongsnaes, der umstrittene Wiederaufbau der Matrosenstation am Jungfernsee als Touristenattraktion, den Unmut über den amtierenden Rathauschef. Die Vorgänge bestätigen aus Sicht selbst wohlmeinender Potsdamer, was sie Jakobs schon länger anlasten: Der Ostfriese sei freundlich, aber vor allem in Baufragen wenig kompetent, er wolle es allen recht machen, statt klar durchzugreifen, er habe kein Frühwarn-System im Rathaus installiert. Werden also die „Bürgerlichen“ überhaupt zur Stichwahl gehen?

Für Scharfenberg stellt sich diese Frage genauso. Bei nur knapp 46 Prozent Wahlbeteiligung in der ersten Runde sah er genau wie Jakobs die Wähler-Mobilisierung als entscheidenden Schlüssel zum Wahlerfolg. Für den Linken bieten vor allem die vielen Nicht-Wähler in den Neubaugebieten im Süden der Stadt Potenzial. Teilweise lag dort vor zwei Wochen die Wahlbeteiligung bei rund 20 Prozent – viel Spielraum also für Scharfenberg.

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