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Brandenburg: Rassismus-Vorwürfe: Thierse-Kritik trifft auch Platzecks Rathaus

Wegen der Rassismus-Vorwürfe von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, die die Wogen der Erregung im Land hochschlagen lassen, gerät jetzt auch Potsdams SPD-Stadtoberhaupt Matthias Platzeck unter Druck: Die Aufenthaltserlaubnis für das Gubener Opfer Khaled Bensaha - Anlass des Thierse-Briefes an Innenminister Jörg Schönbohm - ist von der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Potsdam abgelehnt worden. Der entsprechende Bescheid des Rathauses liegt dem Tagesspiegel vor.

Wegen der Rassismus-Vorwürfe von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, die die Wogen der Erregung im Land hochschlagen lassen, gerät jetzt auch Potsdams SPD-Stadtoberhaupt Matthias Platzeck unter Druck: Die Aufenthaltserlaubnis für das Gubener Opfer Khaled Bensaha - Anlass des Thierse-Briefes an Innenminister Jörg Schönbohm - ist von der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Potsdam abgelehnt worden. Der entsprechende Bescheid des Rathauses liegt dem Tagesspiegel vor. Thierse (SPD) will seine Kritik an der brandenburgischen Asylpolitik unterdessen offenbar zurücknehmen. Im ORB-Fernsehen sagte Thierse am Dienstagabend, er habe "keinen Rassismus-Vorwurf weder gegen Herrn Schönbohm noch gegen das Land Brandenburg erhoben". Thierse fügte hinzu, er habe lediglich um Hilfe in einem konkreten Fall gebeten. Die Informationen, die ihm zugetragen worden waren, hätten ihn alarmiert und deswegen habe er sich an Schönbohm (CDU) gewandt. "Mehr ist dazu nicht zu sagen."

Platzeck äußerte sich "zutiefst betroffen", dass das Schicksal Bensahas von der CDU "zu politischen Ränkespielen missbraucht wird". Eine Aufenthaltsgenehmigung bei laufendem Asylverfahren könne nur durch das Innenministerium Brandenburgs erteilt werden. Daher habe die Potsdamer Ausländerbehörde im Fall Bensaha keinen Ermessensspielraum gehabt.

Der Algerier Khaled Bensaha, für den sich Thierse in dem Schreiben an Schönbohm verwendete, war ein Opfer der blutigen Gubener Hetzjagd. Damals hatten junge Neonazis im Februar 1999 einen algerischen Asylbewerber zu Tode gehetzt: Aus Angst vor weiteren Überfällen war Bensaha im Anschluss zusammen mit zwei weiteren Opfern - abgestimmt zwischen der Stadtverwaltung Guben und dem Potsdamer Rathaus - in die Landeshauptstadt umgezogen. Dort beantragte Bensaha im Dezember 1999 aus "dringenden humanitären Gründen" und unter Verweis auf das Gubener Trauma eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik, um so das laufende Asylverfahren mit unsicherem Ausgang zu beenden: Mit Datum vom 2. Juni 2000 lehnte die Ausländerbehörde der Platzeck-Verwaltung diesen Antrag unter Verweis auf Asylverfahrensgesetz und Ausländerrecht ab, wie aus dem Schreiben hervorgeht. Auch die Traumatisierung des Algeriers lasse bei allem Ermessensspielraum keine andere Entscheidung zu, da "er noch gar keine Therapie angefangen" habe, so der Bescheid. Die Argumentation, eine Therapie sei nur nach Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erfolgreich, sei nicht überzeugend. Mit der gültigen Duldung habe Bensaha zudem Abschiebungsschutz. Prompt erklärte Schönbohm-Sprecher Stephan Goericke: Thierse müsse sich fragen, "ob er mit dem haltlosen Rassismus-Vorwurf auch Platzeck und seine engagierten Mitarbeiter gemeint hat". Er kritisierte auch SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch, der von einer "menschenverachtenden Praxis" gesprochen hatte.

Dagegen wies der für die Ausländerabteilung zuständige Potsdamer Sozialbeigeordnete Jann Jakobs (SPD) - als Bürgermeister auch Platzecks Stellvertreter - die Darstellung des Innenministeriums zurück. Die Stadt habe bei laufenden Asylverfahren - außer bei Hochzeiten mit deutschen Ehepartnern - keinerlei eigene Entscheidungsbefugnis. Diese liege allein beim Innenministerium, nur dieses könne über Ausnahmen und Härtefälle entscheiden. "Das gilt auch für diesen Fall", sagte Jakobs. Das Rathaus habe mit dem Schreiben vom Juni 2000 lediglich das ablehnende Votum des Innenministeriums vom Januar 2000 an den Betroffenen "vermeldet." In dem förmlichen Bescheid der Landeshauptstadt Potsdam - "der Oberbürgermeister" - ist davon nicht die Rede, eine Vorgabe des Innenministeriums wird mit keinem Wort erwähnt.

Thierse hatte in seinem Schreiben an Schönbohm beklagt, dass beim Fall Bensaha der Eindruck entstünde, dass "deutsche Regierungsstellen die Ergebnisse rechtsextremer und rassistischer Vorgänge nicht nur hinnehmen, sondern nutzen." Dagegen erklärte Schönbohm, er nehme die Mitarbeiter der Behörden Brandenburgs ausdrücklich vor dem Thierse-Vorwurf in Schutz. Der zweithöchste Repräsentant unseres Staates leiste "dem Kampf gegen den politischen Extremismus einen Bärendienst." Der CDU Bundestagsabgeordnete Michael Stübgen kündigte ein Nachspiel im Bundestag an. Während sich Innenministerium und Potsdamer Rathaus gegenseitig die Zuständigkeiten zuschoben, appellierte Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almuth Berger für eine Geste der Menschlichkeit: den Asylfall Bensaha erneut zu überprüfen.

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