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Rechtsextremismus: NPD-Funktionär will Landschulheim gründen

Die kleine Gemeinde Rauen ist in Aufruhr: Nachdem bekannt wurde, dass ein Mitglied des NPD-Bundesvorstands hier ein Landschulheim eröffnen möchte, fürchten sich die Menschen vor einer Zuwanderung der Rechtsextremen.

Eigentlich geht es beschaulich zu im brandenburgischen Rauen. Kleine Häuschen und gepflegte Gärten reihen sich in der 1800-Seelen-Ortschaft vor den Toren Berlins aneinander. Doch unter den Bewohnern herrscht Bestürzung über das, was sie aus der Zeitung erfahren haben. Ein führender  NPD-Funktionär will hier ein Landschulheim eröffnen - angeblich im  Geist der Waldorfpädagogik.

Viele Rauener befürchten jedoch ein Neonazi-Zentrum in ihrer Mitte und sind ratlos, wie sie das verhindern können. Ganz diskret und geräuschlos hatte das NPD-Bundesvorstandsmitglied Andreas Molau vor kurzem über seine Frau und eine schwedische Firma das "Gut Johannesberg" in Rauen gekauft. Der weiß getünchte Backsteinbau liegt inmitten einer 20 Hektar großen Apfelplantage, gut abgeschirmt von der Außenwelt. Gleichwohl versperren Schilder mit der Aufschrift "Privat" und "Betreten verboten" den Weg zum Eingangstor. Ein Wachhund liegt dahinter auf der Lauer und schreckt Neugierige ab.

"Kinder sind leicht zu beeinflussen"

Babette Ksink fröstelt es bei dem Gedanken an das, was aus der früheren Dorfdiskothek werden könnte. "Das Projekt ist erschreckend. Ich kriege Gänsehaut", sagt die Mutter eines dunkelhäutigen Jungen. Ksink wohnt im benachbarten Fürstenwalde. In dieser Region, von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelt, fallen die Ideen der NPD auf fruchtbaren Boden. Das hat die Brandenburgerin schon am eigenen Leib erfahren. Der aus Ghana stammende Vater des Kindes traut sich längst nicht mehr hierher, ihr siebenjähriger Sohn wurde in seiner ehemaligen Schule in Fürstenwalde als "Bananenfresser" beschimpft. Deshalb geht er nun seit wenigen Tagen auf die private evangelische Schule in Rauen. "Und ausgerechnet dahin kommt jetzt die NPD", sagt Ksink.

Der NPD-Funktionär Molau hat acht Jahre lang Geschichte und Deutsch an einer Braunschweiger Waldorfschule unterrichtet, ehe die Schulleitung 2004 von seiner politischen Gesinnung erfuhr und ihm die Lehrerlaubnis entzog. Seither hat der 39-Jährige in der rechtsextremen Partei Karriere gemacht. Bei den Landtagswahlen in Niedersachsen im kommenden Jahr tritt er als Spitzenkandidat an. Rauens Bewohner sind angesichts einer solchen Vita beunruhigt. "Man macht sich Sorgen um die Kinder. Es ist so einfach, sie zu beeinflussen", sagt der 27-jährige Martin, Vater zweier Kinder.

Auch Rainer Killisch, Koordinator einer Plattform gegen Rechtsextremismus in Fürstenwalde, fühlt sich ohnmächtig. "Der Kauf ist vollzogen. Rechtlich gibt es nichts mehr zu tun. Den Leuten sind die Hände gebunden", sagt er. Möglich sei es nur noch zu demonstrieren: "Um zu zeigen, wie gefährlich der Typ und die NPD sind."

Waldorfschulen prüfen rechtliche Schritte

Der Käufer des Gutes, Autor zweier Nazi-Biografien, gibt sich hingegen harmlos, ja engagiert. Anfang August hatte Molau sich in einem offenen Brief an die Bewohner Rauens gewandt. Seinen Worten nach soll auf dem "Gut Johannesberg" ein Zentrum für "Jugend- und Erwachsenenbildung" entstehen, in dem "künstlerische, kulturelle und politische Seminare und Freizeitangebote" angeboten werden. In dem Brief wird Molau zugleich polemisch: "Wir sollten uns von denen da oben nicht vorschreiben lassen, was wir zu tun und zu lassen haben", wettert er.

Die Waldorfschulen, staatlich anerkannte freie Schulen, die nach der von Rudolf Steiner begründeten Pädagogik arbeiten und sich Weltoffenheit auf die Fahnen schreiben, befürchten unterdessen eine "Katastrophe für ihr Image". Sie wollen notfalls gegen einen möglichen Missbrauch ihres Namens vor Gericht ziehen.

Molau sei nicht dumm, sagt Anna Spangenberg, Leiterin der Geschäftsstelle des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Brandenburger Bildungsministerium. Er wisse, dass er für ein Schulungszentrum praktisch nur gewisse Auflagen erfüllen müsse, wie etwa den Einbau von Toiletten. Nach Ansicht Spangenbergs verfolgt die NPD in Rauen konkrete Ziele. Es geht darum, sich in der Region zu verankern", sagt sie. Die rechtsextreme Partei brauche mit Blick auf die Kommunalwahlen 2008 und die Landtagswahlen 2009 noch ein Haus für ihre Aktivitäten - womöglich eben in Rauen. (mit AFP)

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