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Brandenburg: Sozialdemokraten nehmen SED in Schutz

SPD: In der DDR war die soziale Kontrolle strenger – Erst die Wende habe zu Verwahrlosung geführt

Potsdam/Cottbus - Die SPD sieht keinen Anlass für einen Rücktritt des angeschlagenen Innenministers Jörg Schönbohm (CDU). Auf der gestrigen ersten Fraktionssitzung nach der Sommerpause habe es zwar „viel Unverständnis und Kritik“ an dessen Thesen über die angeblich DDR-bedingten Ursachen für Gewaltbereitschaft gegeben. Direkte Rücktrittsforderungen seien jedoch nicht laut geworden, erklärte Fraktionschef Günter Baaske. „Ich sehe auch keinen Grund dafür. Schönbohm hat sich für seinen schweren Fehler entschuldigt. Wenn er Schlussfolgerungen daraus zieht, werden wir weiter mit ihm zusammenarbeiten“, kündigte Baaske an.

Zugleich geht die Debatte über die Ursachen von Vereinsamung und Verwahrlosung im Lande weiter. Dass beides zunehme, werde von der Politik seit Jahren beobachtet, sagte der SPD-Fraktionschef. Die Gründe sieht er in der Umbruchsituation nach der Wende und der hohen Arbeitslosigkeit im Osten. Jetzt müsse gehandelt werden. „Vor allem das Bildungs- und das Sozialressort sind gefordert“, sagte Baaske. Baaske betonte auch, dass es Vereinsamung und Verwahrlosung „in diesem Ausmaß zu Ost-Zeiten nicht gab“.

Im „Arbeiter- und Bauern-Staat“ habe im Gegenteil mit den Arbeitskollektiven und Hausgemeinschaften ein „System gesellschaftlicher Kontrolle bestanden“. Der Umgang der Menschen miteinander sei besser gewesen. Da die alten Strukturen nicht mehr existierten, müsse man zeitgemäße Antworten finden. Die Koalition werde sich in der nächsten Woche intensiv darüber austauschen, „welche Schlussfolgerungen zu ziehen sind“.

Die CDU-Fraktion, die in Cottbus tagte, stellte sich ebenfalls hinter Schönbohm. „Er ist ein Mann, der viel bewegt. Und wer viel bewegt, macht Fehler“, sagte Fraktionschef Thomas Lunacek. Schönbohm selbst kündigte an, dass er sich trotz der anhaltenden Proteste über seine Äußerungen zur von der SED erzwungenen „Proletarisierung“ nicht verstecken und alle geplanten Termine wahrnehmen werde. Kurzzeitige Erwägungen, Auftritte einzuschränken, seien vom Tisch. Aus der Bundes-CDU gebe es keinen Druck, sagte Schönbohm. Im Übrigen sei er lernfähig.

Inoffiziell wird in der SPD kein Hehl daraus gemacht, dass der CDU-Chef in der rot-schwarzen Koalition „eine stabilisierende Rolle“ spiele. Ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt, wo seine Nachfolge nicht geregelt sei, könnte die schwierigen Reformen der nächsten Jahre gefährden. Generalsekretär Sven Petke und Fraktionschef Thomas Lunacek, die bei einem Rücktritt Schönbohms als mögliche Nachfolger genannt werden, seien „keine Alternative“, heißt es in der SPD. Andererseits wird bezweifelt, ob sich die als pragmatisch geltenden CDU-Minister Ulrich Junghanns (Wirtschaft) und Johanna Wanka (Wissenschaft) gegen die „Boy- Group“ um Petke und Lunacek durchsetzen könnten. Auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will dieses Risiko nicht eingehen. Am Wochenende stellte er klar, dass seine Kritik an Schönbohm auf dem SPD-Parteitag nicht als Rücktrittsforderung zu verstehen sei. Platzeck hatte erklärt, dass ein Politiker, der das Land mitregieren wolle, „auch die Menschen mögen, achten und respektieren“ müsse. Schönbohm reagierte darauf verletzt. Gestern erklärte er: „Platzeck und ich werden darüber sprechen.“

Michael Mara[Thorsten Metzner]

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