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Sumpfgebiete: Feuchtgebiete mit Risikofaktor

In Mittenwalde wurde ein Mann in letzter Sekunde vor dem Versinken im Moor gerettet. Doch wer glaubt, in der Stadt wäre es sicherer, irrt: Auch in Berlin kann man untergehen.

Mittenwalde/Berlin - Das Geschehen könnte aus einem Kinofilm stammen: Ein Mann will den Weg zur Freundin abkürzen, versinkt im Moor, muss per Handy Hilfe holen, wird in letzter Minute dank eines Hubschraubereinsatzes geortet und mithilfe eines Försters gerettet. Doch das alles ist so passiert, nahe Mittenwalde, am vergangenen Donnerstag. Der 27-Jährige aus Töpchin war zwischen den Ortschaften Egsdorf und Waldeck „schon bis zur Brust eingesunken“, berichtet Ralf Schwietzke von der Polizei in Königs Wusterhausen.

„So etwas geschieht immer wieder und geht zum Glück meist glimpflich aus“, weiß Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes. Denn Brandenburg sei für seine Moore bekannt, welche bei Mittenwalde mit Grasdecken überwachsen sind, die plötzlich nachgeben können.

Solche sogenannten Verlandungsmoore liegen in Naturschutzgebieten. „Wer dort spazieren geht, sollte auf keinen Fall die Wege verlassen“, warnt Freude. Auch im Norden Brandenburgs, in der Uckermark, gibt es zahlreiche Moore, in denen für Menschen die Gefahr besteht, einzusinken. Selbst die Großstadt Berlin ist voller geschützter Moor- und Sumpfgebiete, in denen „viele Argumente gegen das Betreten sprechen“, wie Marc Franusch vom Berliner Landesforstamt es ausdrückt.

Dass es in Brandenburg und in Berlin noch Moore und Sümpfe gibt, geht auf die Eiszeit zurück. Doch längst sinkt unter anderem infolge des Klimawandels der Grundwasserspiegel, die Seen trocknen aus – und so entstehen Verlandungsmoore wie bei Mittenwalde. Dort wächst das Grün nun über dem ehemaligen Gewässer. „Wenn es unter den Füßen schmatzt und schwingt, ist das ein Warnsignal, da kann es schon mal zwei Meter runtergehen“, sagt Freude. „Dass einen im Moor etwas in die Tiefe zieht, ist natürlich Unsinn.“ Der Landesumweltpräsident betont, dass Moore aber nicht in erster Linie eine Bedrohung darstellen, sondern vielmehr selbst gefährdet sind und deshalb oft unter Naturschutz gestellt sind. „Nur noch vier Prozent der einst existierenden Moore sind noch vorhanden.“ Dort sind etwa seltene Libellen- und Farnarten zu Hause, und Moore besitzen als Wasserspeicher auch eine Kühlfunktion. Auch im Norden Brandenburgs sollte man beim Anblick der Naturschutz-Eule auf Hinweisschildern nicht etwa fernab der Wege Pilze suchen, dem Hund ins Grün nachlaufen oder sich ins Gebüsch schlagen.

Auch in der Uckermark gibt es zahlreiche Moore, sogenannte Hochmoore. Sie stehen ebenfalls unter Naturschutz, auch hier gehen viele Menschen spazieren. Doch „der gesunde Menschenverstand“, so Freude, verbiete es auch hier, die ausgeschilderten Wege zu verlassen. Die Naturwissenschaftler haben in den Mooren sogar schon Wasserlöcher, die auf eiszeitliche Eisblöcke zurückgehen, aus der Luft archiviert: „Bei 13 000 haben wir aber aufgehört zu zählen“, berichtet Freude.

In Berlin sind die Feuchtgebiete mit Risikofaktor teils eingezäunt oder aus Sicherheits- sowie Naturschutzgründen beschildert. „Der Pechsee und der Barssee mitten im Grunewald sind abgezäunt, das sind klassische Verlandungsmoore mit Schwingdecken“, sagt Marc Franusch, Sprecher der Berliner Forsten. Vor allem nach Regen wäre es zudem gefährlich, womöglich im Feuchtwiesengebiet am Tegeler Fließ in Lübars die Wege zu verlassen. Im Spandauer Forst besteht Sumpf- und Morastgefahr an Rohr- und Teufelsbruch. „Wer da anders als erlaubt reingehen würde, würde im Schlick festkleben bleiben.“ In Köpenick an den Müggelbergen gibt es das Teufelsmoor. Franusch kann sich indes nicht erinnern, dass in Berlin in jüngerer Zeit ein Mensch versank.

Anders als Erholungssuchende müssen Förster, Jäger, Vermesser oder Ornithologen die Gebiete auch abseits der Wege betreten – und sichern sich dann gegenseitig: Selbst Umweltamtschef Matthias Freude musste schon mal einen hochrangigen Kollegen aus dem Moor retten.

Annette Kögel

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