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Brandenburg: Treibhausgas ab in die Tiefe

Wissenschaftler wollen Kohlendioxid nicht mehr in die Luft entlassen, sondern unterirdisch speichern

Ketzin - Die Idee klingt gut: Statt die klimaschädlichen Treibhausgase aus Kraftwerken wie bisher in die Luft zu pusten, werden gewissermaßen die Schornsteine umgedreht. Das bei der Verbrennung von Kohle entstehende Kohlendioxid käme in die Tiefen der Erde zurück. In riesigen Hohlräumen in 700 bis 800 Meter Tiefe richtet es – anders als in der Atmosphäre – keinen Schaden an. Das versichert jedenfalls Günter Borm. Der Professor vom Geoforschungszentrum Potsdam leitet ein großes Testprojekt im 20 Kilometer westlich von Berlin gelegenen Ketzin. Nach langer Vorbereitung soll das Experiment Anfang 2007 starten. Dann werden die ersten Tonnen Kohlendioxid mit hohem Druck in den porösen Sandstein gepumpt; Sensoren sollen die Auswirkungen des Vorhabens prüfen. Im Erfolgsfall könnte das Verfahren weltweit angewandt werden.

Allerdings liegt das 25 Millionen Euro teure Projekt schon jetzt im Zeitplan zurück. Es habe lange Zeit keine Firma in der Region gegeben, die den technischen Teil bewerkstelligen konnte, erklärt Borm. An Bedenken oder gar an Widerständen in der Kleinstadt liege es aber nicht. „Die Menschen dort begegnen unserem Vorhaben sehr aufgeschlossen“, sagt der Wissenschaftler. „Schließlich haben sie viele Jahrzehnte mit einem unterirdischen Erdgasspeicher gelebt und sich vom reibungslosen Betrieb überzeugen können.“ Als der Speicher wegen mangelnder Rentabilität vor Jahren aufgegeben wurde, habe die Stadt von sich aus den Kontakt zu den Wissenschaftlern gesucht. In Kürze sollen die ersten Tankwagen aus einem Chemiebetrieb anrollen, um Kohlendioxid in die Tiefe zu leiten.

Allerdings gibt es durchaus auch kritische Stimmen. Umweltexperten fürchten, dass die CO2-Beseitigung als Vorwand dient, alte Kraftwerkstechnik weiterzubetreiben, statt erneuerbare – und damit klimaneutrale – Energien weiterzuentwickeln. Auch die langfristigen Auswirkungen der CO2-Speicherung sind noch völlig ungewiss.

Der Professor verweist auf langjährige Erfahrungen in der Erdölindustrie. Dort werde Kohlendioxid in die Tiefen der Erde gepumpt, um das Öl überhaupt fördern zu können. Neu am Ketziner Projekt sei allein das Ziel, die Technologie für den Umweltschutz einzusetzen. Das kostet viel Geld, weshalb sich am Projekt mehr als ein Dutzend Forschungsinstitute aus acht Ländern sowie Kraftwerksbetreiber beteiligen und die EU knapp neun Millionen Euro zuschießt.

Über den porösen Sandsteinen befinden sich mächtige Ton- und Lehmschichten, die ein unkontrolliertes Entweichen der Gase verhindern sollen. Messgeräte kontrollieren jede Veränderung der Umgebung. Zum späteren Vergleich zeichnen Sensoren schon seit mehr als einem Jahr die Luftwerte der Umgebung auf. Nach der Prognose von Borm reicht der Hohlraum unter Ketzin für eine „ewig lange Zeit“. Selbst wenn täglich der Kohlendioxid-Inhalt von vier Tanklastzügen in die Erde gepumpt würde, wären nach 20 Jahren erst vier Prozent des Volumens gefüllt. Weltweit bestünde ein nahezu unerschöpfliches Reservoir.

Bis aber tatsächlich die Schornsteine von Kohlekraftwerken symbolisch umgedreht werden können, werden wohl mindestens noch zehn bis 15 Jahre vergehen. „Unsere größte Sorge ist, dass der Speicher das Gas nicht aufnimmt und wir es gar nicht unter die Erde bekommen“, sagt Borm.

Wirtschaftlich und ökologisch interessant würde die Technik ohnehin erst, wenn das CO2 nicht extra angeliefert werden müsste, sondern direkt in Kraftwerken aufgefangen und in die Erde gepresst werden könnte. Umweltschützer kritisieren, dass zurzeit mehrere konventionelle Kraftwerksneubauten geplant werden, deren Nachrüstung mit dieser Technik extrem teuer und damit unwahrscheinlich sein dürfte. Borm sagt: „Unser Ansatz ist eher eine Brückentechnologie, bis andere Methoden der emissionsarmen Energieerzeugung ausreichend zur Verfügung stehen.“

Das Potenzial solcher Anlagen ist nach Ansicht von Borm groß, obwohl sie sich nicht für kleine Quellen wie Autos eignen. In Deutschland blasen allein die Kohlekraftwerke als Hauptverursacher jährlich mehr als 250 Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Zum Vergleich: Ein Durchschnittsauto stößt laut Borm jährlich etwa 1,6 Tonnen Kohlendioxid aus.

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