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U-Boot "Nemo 100" - öffentliche Probefahrt

© dpa

U-Boot-Tourismus: Der Traum vom Tauchen

Geniale Idee oder Hirngespinst? Ein Erfindertrio aus Frankfurt hat ein Mini-U-Boot entworfen, das nun Touristen an den Helenesee locken soll. Wir sind mit "Nemo" und seinen Entwicklern auf Tauchstation gegangen.

Man weiß nicht recht, was man von ihrer Idee halten soll. Spinnerei? Größenwahnsinn? Oder vielleicht doch eine ernst zu nehmende Erfindung für den Tourismus? Die Rede ist von einem Erfindertrio aus Frankfurt, von drei Männern, die ein U-Boot gebastelt, es mit oranger Farbe angemalt haben und damit nun Touristen an oder besser gesagt in den Helenesee an der polnischen Grenze locken wollen.

Das Ganze ist etwas in Deutschland noch nie Dagewesenes und mutet erst einmal an wie das Setting eines französischen Comics. Doch die Protagonisten sind echt. Mit fast kindlicher Begeisterung erzählt Thomas Breinig, einer der drei Erfinder: „Ein Hobby-Bootsbauer aus Potsdam hat uns seinen Prototyp überlassen, wir übernahmen ihn gerne und haben uns beim Bau von Nemo davon inspirieren lassen.“

Nemo, angelehnt an die Romanfigur von Jules Verne oder auch den Clownfisch, der als Held eines Animationsfilms Millionen in die Kinokassen spülte, Nemo also hat Breinig sein selbst gebasteltes U-Boot getauft. Weitere sind in Planung, doch zuerst will Breinig, der aussieht wie ein Seemann – struppige Haare, stahlblaue Augen und Dreitagebart – über Nemo sprechen.

Man erfährt, dass die fast zwei Tonnen schwere Technikkapsel aus Edelstahl und Plastik unter Wasser alle fünf Minuten versichernd piepst. Wenn man dann keinen Knopf drückt, muss das U-Boot annehmen, dass seine Insassen bewusstlos geworden sind und kehrt zur Wasseroberfläche zurück. Toter-Mann-Schaltung nennt sich das. „Im Boot sind 1400 Liter Luft, die reichen für eine Stunde“, sagt Breinig. Das macht ja gleich noch mehr Lust auf eine Probefahrt, denkt man sich. Doch Breinig fügt eilig hinzu: „Wir haben ja auch Sauerstoffflaschen dabei.“

Es kann also losgehen. Das U-Boot liegt an einem Steg im Helenesee. Nemo ist 3,95 Meter lang und 1,80 Meter breit. Seine maximale Tauchtiefe beträgt 50 Meter, die Geschwindigkeit drei Knoten. Jürgen Herrmann, der ebenfalls zu dem Erfindertrio gehört, öffnet die beiden runden Kapseln aus Acrylglas. Sie erinnern an Schneekugeln, nur sind sie ohne Schnee. Hier soll man einsteigen und durch das Fensterrund gleich einen atemberaubenden Panoramablick auf die Unterwasserwelt haben.

Doch das U-Boot will einfach nicht sinken. Fünf Minuten nach dem Expeditionsstart tuckert es immer noch hilflos auf der Oberfläche herum, die Wassertanks sind bereits ganz vollgelaufen. Da hilft alles nichts, es geht zurück an Land, und ein zehn Kilogramm schwerer Block aus Blei wird aufgeladen. „Eintrimmen“ nennt U-Boot-Pilot Thomas Breinig das.

Es klappt. Das Wasser steigt an den Domen, so heißen die Schneekugeln fachmännisch, hoch, es gluckert und rauscht, und auf einmal schließt sich die Wasserdecke über einem. Eingehüllt in samtiges Grün geht es immer tiefer hinunter. Zwei, vier, sechs Meter, ein Anzeiger liefert Informationen über den aktuellen Tauchstand. Durch die Wölbung der Glaskuppeln sieht der Himmel von hier unten wie ein großes Guckloch aus.

Was man gleich neben sich, auf der anderen Seite der Scheibe entdecken kann, ist ein morbides, verwunschenes Reich, das nach anderen Regeln zu funktionieren scheint als die „Oberwelt“. Hier ist die Zeit stehen geblieben. Neben wohlorganisierten Fischschwärmen und silberglänzenden Luftblasen, die sich an die Wasseroberfläche schrauben, um dort zu zerschellen, verliert man ganz schnell die anfängliche Angst. Hier ist kein Platz für Beklemmungen.

Außerdem taucht der Pilot Thomas Breinig seit 30 Jahren. Wie orientiert er sich hier unten? „Mit Hilfe der Sehenswürdigkeiten“, sagt er verschmitzt. „Nur auf ebenen und sandigen Flächen wird es schwierig.“ Doch an „Sehenswürdigkeiten“ mangelt es hier nicht: Ein Unterwasser-Wald, ein veralgtes Auto und ein Tretboot schlummern am Grunde des Helenesees. Vor mehr als 50 Jahren war hier noch ein Kohletagebau, der 1958 geflutet wurde.

Das Boot grummelt, es röchelt, rülpst, zischt und stöhnt und taucht auf. Auf dem Landesteg berät sich Jürgen Herrmann mit dem dritten Herrn der Erfindertruppe, Lutz Cordts, über einen Dubai-Besuch. Denn dort soll Nemo demnächst vorgestellt werden, Stichwort Erlebnistourismus. Außerdem wollen die Erfinder im nächsten Jahr eine Fahrschule für U-Boote aufmachen.

Was ist es also nun, das zivile U-Boot Nemo? Hirnrissiges Projekt oder geniale Idee? Man weiß es auch nach einer Tauchfahrt nicht. Doch man wird das Gefühl nicht los, als basteln da drei Männer an einem lang gehegten Kindheitstraum. Einem sehr schönen.


Eine halbstündige Fahrt mit dem U-Boot durch den Helenesee kostet 99 Euro, eine ganze Stunde 180 Euro. Das U-Boot wird auf der Berliner Messe „Boot und Fun“ vom 19. bis 23. November 2008 zu sehen sein. Dort soll man es auch kaufen können. Zum Stückpreis von 180.000 Euro. Weitere Informationen unter Tel: (0335) 6101963 oder www.nemo-100.de

Philipp Hauner

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