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Verkehr: Schocktherapie soll junge Raser abschrecken

Das Land startet ein neues Projekt: Fahrschullehrer zeigen Videos von gefährlichen Straßen und lehren gezielt an Unfallschwerpunkten.

Potsdam - Diesmal passierte es in Teupitz, südlich von Berlin, direkt auf der Autobahn A 13 gen Dresden. Am frühen Morgen verlor eine junge Frau die Kontrolle über ihren Wagen, das Auto überschlug sich, fing Feuer, drei Insassen starben. Der jüngste war 19 Jahre alt.

Mit Hilfe neuer Lernmethoden in den Fahrschulen will das Land Brandenburg erreichen, dass junge Menschen – meist Fahranfänger – nicht so oft in Autounfälle verwickelt werden. Besonders im Fokus stehen die 18- bis 24-Jährigen.

„Bei ihnen müssen wir erfindungsreicher werden“, sagt Dietmar Sturzbecher. Der Leiter des Instituts für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung (IFK) der Universität Potsdam hat das „Regio-Protect 21 Brandenburg“ gemeinsam mit Fahrlehrern und dem Infrastrukturministerium entwickelt, das am heutigen Dienstag vorgestellt wird.

Im Mai startet das Projekt im Nordwesten Brandenburgs, bis Jahresende sollen die neuen Lernmodule landesweit eingeführt werden. „Fahranfänger brauchen Hilfe dabei, das relative kurze Stadium des Erfahrungsmangels zu überleben“, sagt Sturzbecher von der Universität Potsdam. Konkret soll den Fahrschülern anschaulich vermittelt werden, welche Folgen riskantes Fahren hat. Praktisch werden die Anfänger häufiger an typischen Unfallstellen in ihrer Region üben. Auch der Einsatz von Videos ist geplant, die den Hergang früherer Unfälle klarmachen.

„Die meisten jungen Fahranfänger sind weder leichtsinnig, also Idioten, noch undiszipliniert“, sagt der Wissenschaftler. „Der Anteil des Rowdytums wird überschätzt.“ Die Zahlen bleiben dennoch hoch – und meist sei Raserei der Grund, sagt der Direktor der Autobahnpolizei in Brandenburg, Udo Antonicek. 45 Prozent aller Geschwindigkeitsunfälle werden der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren zugerechnet. Bei Alkohol seien es knapp ein Drittel, bei Drogen zwei Drittel. Ein Viertel aller tödlichen Unfälle führt die Polizei auf das Fehlverhalten junger Fahrer zurück. Wenn sie einen Unfall verursachen, dann sind rund zwei Drittel aller Toten und Verletzten Fahranfänger.

53 Menschen kamen im vergangenen Jahr ums Leben, 2007 waren es 79. Insgesamt starben im vergangenen Jahr 222 Menschen (2007: 264) auf den Straßen. 8,8 Getötete je 100 000 Einwohner zählt die Statistik – nur in Sachsen-Anhalt ist die Quote noch schlechter.

Trotz des Rückgangs sei das viel zu viel, sagt Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider. Bis 2014 soll deshalb die Zahl der Toten und Verletzen pro Jahr um fünf Prozent gesenkt werden, so sieht es das Verkehrssicherheitsprogramm vor. Bretschneider sagt: „In den Fahrschulen soll nicht nur die Theorie gelernt werden. Die Schüler sollen auch mit den örtlichen Verkehrsverhältnissen vertraut gemacht werden.“ Denn die märkischen Alleen seien sehr unfallträchtig, schon ein kleiner Fehler ende oft tödlich am Baum. Bretschneider weiß: „Die Leute sterben auf ihren Alleen, die sie kennen.“

Jugendforscher Sturzbecher hält das Projekt auch aus einem anderen Grund für nötig. Der Führerschein sei entscheidend für den Lebenserfolg junger Erwachsener. Gerade im ländlichen Brandenburg müssten sie mobil sein, um eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

Sogar Behörden aus anderen Bundesländern hätten bereits Interesse an dem neuen Projekt bekundet, heißt es im Infrastrukturministerium. Erneut könnte sich Brandenburg damit als Vorreiter erweisen, wenn es darum geht, junge Erwachsene dabei zu begleiten, sichere Autofahrer zu werden. Das war beim „Führerschein mit 17“ so und auch beim „Sparpiloten“, einem Fahrtenschreiber für Neulinge, die dafür mit vergünstigten Versicherungstarifen belohnt werden.

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