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Brandenburg: Wer ist der Beste für Potsdam?

Vor der Stichwahl: Streitgespräch zwischen den Oberbürgermeisterkandidaten Jann Jakobs (SPD) und Hans-Jürgen Scharfenberg (PDS)

Die Stichwahl entscheidet am kommenden Sonntag über den neuen Oberbürgermeister von Potsdam. Im ersten Wahlgang am 22. September erhielt keiner der damals sieben Bewerber eine klare Mehrheit. Im Streitgespräch stellen die verbliebenen Kandidaten Jann Jakobs (SPD) und HansJürgen Scharfenberg (PDS) ihre Pläne für die Stadt dar.

Tagesspiegel: Ist der Aufbau des Stadtschlosses angesichts der Haushaltskrise realistisch?

Scharfenberg: Nein, das muss man ehrlich eingestehen. Die öffentliche Hand hat kein Geld, wir müssen sogar fragen, ob sich die Stadt die geplante Freilegung des Schlossgrundrisses ab Ende Oktober leisten kann. Ich bin der Ansicht, dass wir keine Vorleistungen erbringen können, solange wir nicht wissen, ob und wann das Schloss aufgebaut werden kann. Wir sollten uns auf das neue Theater an der Schiffbauergasse konzentrieren.

Jakobs: Man darf das Theater nicht gegen die Stadtmitte ausspielen. Der Alte Markt muss ein Hauptschwerpunkt bleiben. Nachdem das Fortuna-Portal steht, sollten jetzt die Flügel-Bauten folgen. Es gibt viele, die spenden wollen. Auch der Schlossgrundriss sollte freigelegt werden, um die Chancen für die Wiedererrichtung zu erhöhen. Wir müssen Tatsachen schaffen. Ich würde mir wünschen, dass hier ein gemeinsamer Landtag von Berlin-Brandenburg einzieht. Jetzt das Signal zu geben, wir passen, wäre fatal.

Scharfenberg: Wir werden über lange Zeit eine schwierige Haushaltslage haben und ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen, weder Investoren noch Potsdamer. Wir müssen jetzt keine Vorleistungen erbringen. Warum jetzt eine Schlossstraße bauen?

Jakobs: Bei Ihnen merkt man, dass das Schloss kein Herzensanliegen ist.

Scharfenberg: Ich gebe zu, dass ich andere Aufgaben für wichtiger halte. Aber es geht hier auch um Ehrlichkeit. Im Übrigen kann das jetzige Landtags-Gebäude auf dem Brauhausberg saniert werden.

Jakobs: Ich kann nur hoffen, dass niemand dies ernsthaft in Angriff nimmt. Es wäre das absolut falsche Signal, auch für eine Fusion mit Berlin, das jetzige Provisorium zu verschlimmbessern. Ein Landtag wird gebraucht und es bleibt sinnvoll, ihn mit der Stadtmitte zu verknüpfen.

Scharfenberg: Das ist Traumtänzerei.

Potsdam hat mehr Probleme, die Fußgängerzone Brandenburger Straße und die Dreckecken schrecken viele Touristen ab.

Scharfenberg: Einen Durchbruch für die Brandenburger Straße könnte das Kaufhaus bringen. Aber ich befürchte, dass es mit Karstadt nicht klappt. Die Stadt sollte deutlich aussprechen, dass sie, wenn Karstadt weiter zögert, einen anderen Investor sucht. Potsdam muss andere Register ziehen.

Jakobs: Klar ist, dass mit einem Kaufhaus die Qualität der Fußgängerzone steht und fällt. Ich erwarte, dass in diesem Jahr die Investitionsentscheidung fällt. Wenn nicht, müssen wir uns nach Alternativen umsehen. Es gibt andere Kaufhausinvestoren.

Ein anderer Dauerbrenner ist der Theaterneubau, jetzt hat das Land wegen der Haushaltsmisere den Widerruf der Förderbescheide angedroht...

Scharfenberg: Ich fühle mich von der Landesregierung verschaukelt. Vor wenigen Wochen erst hat Platzeck das Bauschild enthüllt. Ich habe schon damals prophezeit, dass wir noch nicht über den Berg sind...

Jakobs: Sie sind die Kassandra von Potsdam. Aber das Verfahren ist kritikwürdig. Ich fordere eine Rücknahme des Fördermittel-Widerrufs. Das Theater ist ein Prestigeprojekt für alle. Da kommt keiner mehr raus ohne politischen Schaden.

Scharfenberg: Da steht der Ministerpräsident im Wort.

Potsdam zieht immer mehr Reiche an. Entsteht eine Wohlstandsmauer?

Jakobs: Die Gefahr sehe ich nicht. Ein breites Bürgertum, zu dem die Zuzügler beitragen, tut Potsdam gut. Es gibt keine Neidkultur gegenüber den Promis.

Scharfenberg: Ich freue mich über jeden Neuzuzug, aber ich leugne nicht den wachsenden Konflikt zwischen arm und reich. Wir haben immer mehr Sozialhilfeempfänger, aber auch immer mehr Reiche. Wir müssen verhindern, dass es Konzentrationsgebiete von Armen und Reichen gibt. Und wir müssen die Frage nach sozialem Ausgleich unter den Bedingungen Potsdams stellen.

Jakobs: Wenn Sie diesen Ausgleich als OB wirklich durchsetzen wollen, überheben Sie sich. Was Sie machen, ist Klassenkampf von unten. Die Debatte um die sozial Schwachen mit der Ansiedlung von Reichen zu verknüpfen ist politisch fatal. Sie führen eine Spaltungsdiskussion.

Matthias Platzeck hat viel für das Image der Stadt getan. Manche befürchten, dass wieder Provinzialität einzieht?

Scharfenberg: Platzeck war eine Ausnahme. Es kommt nicht oft vor, dass ein Kronprinz in einer Kommune Zwischenstation macht. Vieles wird nicht mehr so ablaufen können wie unter Platzeck. Das heißt aber nicht, dass Potsdam provinzieller werden muss. Die Voraussetzungen sind zu gut, die Stadt kann auch weiterhin eine gute Ausstrahlung entwickeln. Aber es wird nicht vergleichbar sein mit dem System Platzeck.

Jakobs: Platzecks Verdienste um Potsdam lassen sich nicht auf die Kronprinzen-Rolle reduzieren. Er hat mit seiner Ausstrahlung und Kommunikationsfähigkeit Maßstäbe gesetzt. Auf die neue Offenheit in Potsdam kann man jetzt aufbauen.

Kann ein PDS-OB das gute Image der Stadt beschädigen?

Scharfenberg: Das glaube ich nicht. Oberbürgermeister tragen ihre Parteizugehörigkeit nicht vorne weg. Ich sehe nicht die Gefahr, dass Potsdam im Falle meiner Wahl als „PDS-Stadt“ dargestellt wird.

Jakobs: Ich empfange Signale, dass das nicht gut für Potsdam wäre, auch wenn ich Sie für einen soliden Kommunalpolitiker halte.

Herr Jakobs, würden Sie, falls Herr Scharfenberg gewinnen sollte, unter ihm als Beigeordneter arbeiten?

Jakobs: I ch kann mir das nicht vorstellen. Ich will die Wahl gewinnen. Falls sie anders ausgehen sollte, was ich nicht glaube, wären meine Tage im Rathaus gezählt.

Das Streitgespräch moderierten Michael Mara und Thorsten Metzner.

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