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Brandenburg: „Wir sind nicht strenger als Versailles“

Sanssouci-Chef Hartmut Dorgerloh verteidigt Bußgelder in Parks und ärgert sich über aggressive Besucher Er fordert 730 Millionen Euro für die Sanierung der Schlösser in den nächsten 25 Jahren

Seit kurzem lässt die Stiftung ihre Parkwächter rigide gegen Hundehalter oder Sonnenhungrige vorgehen. Und mit der Stadt Potsdam wird erbittert um frühere Immobilien wie das städtische Strandbad Babelsberg gekämpft. Gehen Sie plötzlich auf Konfrontationskurs, Herr Dorgerloh?

Nein, es gibt keine Generaloffensive. Dass mehrere Probleme uns jetzt gleichzeitig zum Handeln zwingen, ist reiner Zufall. Aber unsere Aufgabe ist es, die Schlösser- und Parklandschaft, die größte Welterbeanlage Deutschlands, zu pflegen und zu bewahren. Dabei gibt es natürlich Konflikte. Aber wir bemühen uns um Ausgleich, um Kompromisse.

Trotzdem fällt auf, dass die Stiftung ihre Politik der leisen Töne, die für Ihren Vorgänger Hans-Joachim Giersberg, aber auch Ihre Anfangszeit typisch war, aufgegeben hat. Müssen Sie beim Ruf nach Geld heute lauter sein, um Gehör zu finden?

Wir müssen deutlicher auf den Investitionsbedarf hinweisen, weil die Situation mittlerweile dramatisch ist. Es reicht nicht mehr, das nur im Stiftungsrat zu tun. Die Stiftung hat immer erklärt, dass für die Sanierung des Neuen Palais, des Schlosses Babelsberg und anderer Häuser einige hundert Millionen Euro fehlen. Es hat aber nicht dazu geführt, dass wir das Geld bekommen haben. Und je weiter unsere Planungen und Untersuchungen vorangeschritten sind, je präziser die Zahlen sind, umso erschreckender wurde das Bild. Jetzt ist der Punkt erreicht, wo ich als Generaldirektor sagen muss: Es droht unwiederbringlich Substanzverlust, wenn nichts passiert.

Sie fordern 730 Millionen Euro in den nächsten 25 Jahren, eine immense Summe. Rechnen Sie wirklich damit, dass das in Zeiten knapper Kassen bewilligt wird?

Man muss die Summe einordnen: Es geht schließlich um einen sehr langen Zeitraum. Und für größere Investitionen gab es schon immer Sonderfinanzierungen, weil dies den Stammhaushalt der Stiftung überfordern würde. Die Politik hat erkannt, dass gehandelt werden muss. Die Signale des Bundes und des Landes Berlin stehen bereits eindeutig auf Grün. In Brandenburg ist man dabei, von Gelb auf Grün umzuschalten.

Das Land Brandenburg ist Schlusslicht bei der Denkmalförderung in Ostdeutschland. Im Land verfallen Baudenkmale. Ist es gerechtfertigt, mehr Geld in die seit 1990 herausgeputzten Schlösser zu stecken?

Unsere Anlagen sind Leuchttürme für das Land, die weit über Brandenburg hinaus ausstrahlen. Aber das Potsdamer Welterbe wird seine Wirkung nur dann voll entfalten können, wenn ringsum keine Denkmal-Brachlandschaft ist. Den kulturellen Rang von Sanssouci, seine Einzigartigkeit, sieht man ja nicht nur im Vergleich zu Versailles, sondern auch zu Residenzen des preußischen Landadels wie Demerthin oder Hoppenrade.

Sie klagen über fehlendes Geld, kämpfen aber zugleich um weitere Liegenschaften wie das städtische Potsdamer Strandbad in Babelsberg. Wie passt das zusammen?

Das Gelände hat 1945 zum Park und damit zur Preußischen Schlösserverwaltung gehört. Deshalb haben wir den Rechtsanspruch angemeldet. Es ist eine alte Auseinandersetzung, die jetzt gerichtlich entschieden wurde. Mit dem Ergebnis, dass die Hälfte uns, die andere Hälfte der Stadt gehört. Wir müssen also miteinander reden.

Die Frage ist, was will die Stiftung?

In Babelsberg kam es nach 1945 zu störenden Eingriffen in die Parkanlage, die den königlichen Garten beschädigt haben. Da wurden die Grenzmauer gezogen, Internate gebaut, das Strandbad. Unser Ziel ist es, den Park so wiederherzustellen, dass man die Grundidee von Lenné und Pückler besser erleben kann.

Ohne Strandbad?

Wir wollen die Badenden dort nicht vertreiben, das Strandbad nicht ohne Alternative schließen. Aber die Wiesen, der Park dürfen auch nicht weiter in dem Maße wie bisher in Mitleidenschaft gezogen werden. Und das Bad ist, vorsichtig ausgedrückt, keine Augenweide. Es geht um eine langfristige Lösung.

Die Stiftung steht auch in der Kritik, weil seit kurzem Parkwächter bei Verstößen gegen die Parkordnung in Sanssouci und in Babelsberg rigoros Bußgelder eintreiben. Ist die härtere Gangart wirklich nötig?

Die Anzahl derjenigen, die sich nicht vernünftig in den Parkanlagen bewegen, hat leider deutlich zugenommen. Das führt zu Schäden. Aber ich möchte daran erinnern, dass wir mit der neuen Parkordnung den Freizeitbedürfnissen von Besuchern entgegengekommen sind. Wir haben das Radfahren auf bestimmten Wegen erlaubt. Unser Bestreben war es, Interessen von Potsdamern entgegenzukommen, nämlich von Anwohnern oder Studierenden. Sie brauchen keine Sondergenehmigung mehr und müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie mit dem Rad durch die Parks fahren.

Der Aufschrei zum Beispiel in Babelsberg, wo jahrzehntelang im Park jeder machen konnte, was er wollte, ist riesig. Haben Sie die Brisanz unterschätzt?

Dass die Wogen so hoch schlagen würden, hat mich überrascht. Ich habe ja ein gewisses Verständnis für lieb gewonnene Gewohnheiten. Ich bin früher ja auch auf dem Ruinenberg oder dem Pfingstberg gerodelt. Aber das war damals auch verwildertes Gelände. Was mich erstaunt, ist der Egoismus von Gruppen, von Einzelnen, nach dem Motto: Ich will direkt vor meiner Haustür baden und meinen Hund ausführen. Ich hätte nicht gedacht, dass in Potsdam die Einzelinteressen eines Stadtteiles so ausgeprägt sind. Wir müssen stärker vermitteln, dass jeder Park zum Welterbe gehört. Sanssouci, das Flaggschiff, ist allen ein Begriff. Dass auch andere Anlagen wie Babelsberg oder die Kolonie Alexandrowka Bestandteil dieses Gesamtensembles sind, ist weniger verinnerlicht.

Es gibt massive Beschwerden gegen Parkwächter, den rüden Umgangston, die mitgeführten „Kampfhunde“. Mit welcher Order sind die Kräfte unterwegs?

Die Ordnungskräfte sind instruiert, Augenmaß und Verhältnismäßigkeit zu bewahren. Es ist etwas anderes, ob jemand mit dem Mountainbike quer über die Wiesen fährt oder das Kind mit dem Dreirad neben der Mutter rollt, die den Kinderwagen schiebt. Leider gibt es aber auch aggressive Reaktionen von Besuchern.

An den Eingängen der Schlossparks stehen neuerdings Barrieren, über die sich Behinderte beschweren. Auf die Parkordnung weisen hässliche große Warnschilder hin. Warum verschandeln Sie das Entree?

Wir mussten auf das Phänomen reagieren, dass die schönen alten Parkordnungsschilder offensichtlich nicht wahrgenommen wurden. Unser Ziel ist es, die neuen Schilder so schnell wie möglich wieder zu entfernen – wenn die Besucher wissen, was sie dürfen und was nicht.

Das sind neue Töne.

Überhaupt nicht. Ich habe immer gesagt, dass wir in der Praxis beobachten, wie es ankommt, wie es funktioniert. Deshalb gibt es auch die befristete Ausnahmeregelung für Fahrradfahrer.

Ist das Regime in Sanssouci, Charlottenburg oder Babelsberg im nationalen und internationalen Vergleich strenger?

Es ist bei uns nicht strenger als in Versailles oder Schönbrunn. Unterschiede gibt es allenfalls im Umgang mit Hunden und mit Radfahrern. In Schönbrunn und Schwetzingen dürfen gar keine Fahrräder in die Parks, in Versailles dürfen keine Hunde hinein.

Das Interview führten Michael Erbach, Thorsten Metzner und Sabine Schicketanz

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