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Brandenburg: Zapfenstreich für die Oderland-Brauerei

Ostdeutschlands größte Büchsenabfüllanlage wird geschlossen. Am Dosenpfand allein liege es aber nicht, sagen Gewerkschafter

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder). Am Sonntag gibt’s Freibier. Die Stadt Frankfurt feiert ihren 750. Geburtstag mit einem großen Festumzug. Dabei sein wird auch ein Wagen der Oderland-Brauerei – trotz der Hiobsbotschaft vom Mittwoch. „Der Aufsichtsrat der Dortmunder Brau und Brunnen AG hat die Schließung der Oderland-Brauerei beschlossen“, gab Unternehmenssprecher Udo Dewies am Morgen bekannt und lieferte die Begründung gleich mit: Das Aus für den mit 160 Beschäftigten größten industriellen Arbeitgeber in Frankfurt (Oder) sei „insbesondere als Folge der Auswirkungen des Pflichtpfands auf Dosen unausweichlich geworden“.

„Scheinheilig“ nennt Uwe Ledwig diese Argumentation: „Die Unternehmensführung hatte viel Zeit, sich auf das Dosenpfand vorzubereiten. Aber selbstherrlich und arrogant wurden alle entsprechenden Hinweise unter anderem vom Betriebsrat ignoriert und keine Alternativen für den Standort entwickelt.“ Ledwig ist Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für Ostbrandenburg und hat die wechselvolle Geschichte der Oderland-Brauerei mit wachsender Sorge verfolgt.

Dabei war der Betrieb erst im Juni 1988 in Betrieb genommen worden und demzufolge eine der modernsten Brauereien der DDR. 1991 übernahm sie „Brau und Brunnen“ von der Treuhand. Das Dortmunder Unternehmen bezahlte dafür nach Tagesspiegel-Recherchen einen zweistelligen Millionenbetrag und investierte nochmal 25 Millionen Euro – das meiste davon in den Bau der größten Dosenabfüllanlage Ostdeutschlands mit einer Kapazität von 1,4 Millionen Hektolitern. Bund, Land und Europäische Union steuerten rund 5,5 Millionen Euro Fördermittel bei. „Die Mehrwegflaschen-Anlage wurde hingegen vernachlässigt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende der Oderland-Brauerei, Michel Gerß: „1999 sollte sie sogar nach Berlin verlagert werden. Dagegen haben wir uns aber erfolgreich gewehrt.“

Über einen Monat lang organisierten die Frankfurter damals Streikaktionen. Sie setzten auch durch, dass die Stadt wieder eine eigene Biermarke erhielt: Frankfurter Pilsner. Die Bevölkerung unterstützte die Bierbrauer auf ihre Weise – sie trank die neue Marke mit zunehmender Begeisterung. „Das hat was mit Identität zu tun“, sagt der Gastwirt Bernhard Sobanski: „Obwohl ich auch andere Biere anbiete, trinken inzwischen 85 bis 90 Prozent das Frankfurter Pilsner.“

Allein mit der Bierproduktion für die Einheimischen könnte die Oderland-Brauerei nicht überleben, sagt NGG-Landeschef Ost, Edmund Mayer. Deshalb solle jetzt mit der Unternehmensleitung über eine Beschäftigungsgesellschaft nachgedacht werden. Angeblich gibt es auch zwei Investoren, deren Namen aber nicht genannt werden.

Für die Stadt Frankfurt wäre die Schließung der Brauerei eine „Katastrophe“, sagte ein Sprecher. Wegen der Arbeitsplätze, aber auch, weil die Brauerei der größte Abnehmer von Trinkwasser ist. Fällt sie weg, muss das städtische Wasserwerk neu kalkulieren – und der Wasserpreis würde um voraussichtlich 14 Cent pro Kubikmeter steigen.

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