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Brandenburg: Tod nach der Siegesfeier

Das von Sowjetsoldaten 1945 verübte Massaker in Treuenbrietzen soll endlich aufgeklärt werden

Treuenbrietzen - Die Rache der Sieger kannte keine Grenzen. Am 23. April 1945 trieben sowjetische Soldaten in der 40 Kilometer südwestlich Berlins gelegenen Kleinstadt Frauen, Kinder und vor allem Männer zusammen und erschossen sie. Die Opferzahlen schwanken, aber nach Recherchen des örtlichen Heimatvereins dürften es rund 1000 gewesen sein. Der Tagesspiegel hatte vor zwei Jahren im Rahmen einer Serie über Brandenburgische Kleinstädte über die lange Zeit mit Tabu belegten Geschehnisse berichtet. Nun rückt die Aufklärung der in Deutschland einmaligen Tat näher. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Mordes und anderer Verbrechen eröffnet. „Es wird nunmehr im Wege der internationalen Rechtshilfe ein Auskunftsersuchen an die russischen Behörden gerichtet, mit dem um Übermittlung der möglicherweise dort vorliegenden Informationen gebeten wird“, teilte die Behörde mit.

Damit reagierte sie auf eine Anzeige des Forums für Aufklärung und Erneuerung, das sich vorrangig mit den Folgen der DDR-Diktatur beschäftigt. Es hatte nach dem Tagesspiegel-Beitrag den Vorfall selbst geprüft und die Staatsanwaltschaft um Hilfe gebeten. Diese wollte noch Anfang Oktober das Verfahren einstellen. Doch nun seien der Sachverhalt und die Ermittlungsergebnisse nochmals geprüft worden, hieß es.

Tatsächlich können wohl nur sowjetische Akten helfen, die massenhafte Hinrichtung der Zivilisten in den letzten Tages des Krieges aufzuklären. Bereits Anfang der fünfziger Jahre hatte der Tagesspiegel eine Reportage über Treuenbrietzen mit dem Titel „Stadt ohne Männer“ gedruckt. Der Reporter machte damals den augenfälligen Frauenüberschuss zum Thema, den der Krieg hinterlassen hatte. Diesen gab es in den meisten deutschen Städten, in Treuenbrietzen aber fiel er besonders drastisch aus.

Heimatforscher Wolfgang Ucksche geht nach seinen Recherchen von einer gezielten Aktion der sowjetischen Besatzungstruppen aus. „Damals wurde bei einer Siegesfeier ein sowjetischer Oberstleutnant erschossen“, sagt der Leiter des Heimatmuseums. „Die Rede war von einem SS-Mann als Täter. Es gibt aber auch das Gerücht, dass der Offizier bei einem Streit von einem eigenen Mann getötet wurde und die Sowjets die Geschichte von dem SS-Täter nur erfunden hätten.“ Auf jeden Fall seien zwei Tage nach dem Tod des Kommandeurs hunderte Zivilisten in einem Wald zusammengetrieben und getötet worden.

Zu DDR-Zeiten gedachte die Stadt zwar stets am 23. April der „vielen zivilen Opfern des Krieges“ auf dem Triftfriedhof. Doch als Ursache für das Massensterben wurde ein Bombenangriff genannt, den es nachweislich nicht gegeben hatte. Seit 2005 wird in einer neuen Gedenkstätte in Nachbarschaft des sowjetischen Soldatenfriedhofs aller Opfer des Zweiten Weltkrieges gedacht. Claus-Dieter Steyer

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