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Die Unwetter am Pfingstmontag zerstörten die Klosterkirche von Mühlberg an der Elbe. Eine Windhose hat den Kirchturm abgerissen und im Ort zahlreiche Dächer abgedeckt und Autos zerstört.

© dpa

Unwetter: Tornado reißt Dächer in Mühlberg ein

Unwetter haben am Pfingstmontag in Teilen Ostdeutschlands schwere Schäden angerichtet. In Mühlberg machte sich am Dienstag der brandenburgische Innenminister ein Bild von der Lage: In der Stadt sind rund 80 Prozent der Häuser beschädigt.

Fassungslos und kopfschüttelnd laufen die Einwohner der Kleinstadt Mühlberg im äußersten Brandenburger Südwesten den ganzen Dienstag durch ihre am Tag zuvor zerstörte Stadt. Ein Tornado mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 250 Kilometern pro Stunde hat am Montagnachmittag innerhalb von 20 Minuten 80 Prozent aller Dächer teilweise erheblich geschädigt. Bis zu 300 Jahre alte Bäume wurden durch den Sturm regelrecht aus der Erde samt Wurzelwerk aus der Erde gerissen und durch die Luft geschleudert. Auch Dachziegeln fielen herab. Dazu prasselten Hagelkörner in der Größe von Tennisbällen vom Himmel. Verkehrsschilder knickten wie Streichhölzer um. Teilweise fällt nun der freie Blick in Dachgeschosswohnungen. „So ein Tornado kommt in Deutschland nur alle zwei bis drei Jahre vor“, sagte Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. „Er kann noch nicht vorausgesagt werden.“

Das "zweite Wunder von Mühlberg"

Brandenburgs Innenminister Rainer Speer sprach nach einer Visite in der 4500 Einwohner zählenden Stadt von einem „zweiten Wunder von Mühlberg“. Denn trotz der massiven Schäden, die in die Millionen gehen dürften, sei genau wie beim Hochwasser der Elbe im Sommer 2002 niemand verletzt worden. „Wir werden uns um eine rasche Schadensbeseitigung bemühen, denn für Donnerstag sind schon wieder Niederschläge angekündigt worden“, sagte Speer. „Bis dahin wollen wir die größten Lücken in den Dächern abdichten.“

Im benachbarten Sachsen ist ein sechsjähriges Mädchen ums Leben gekommen

In Großenhain im benachbarten Sachsen hatten die Menschen nicht soviel Glück. Hier kam ein sechsjähriges Mädchen ums Leben, als ein Baum ein Auto unter sich begraben hatte. Es konnte noch schwer verletzt aus dem Wrack gezogen werden, verstarb aber im Krankenhaus. Auch andere Einwohner kamen zu Schaden.

Wie heftig der Sturm in Mühlberg wütete, schilderte Gastwirt Günter Jahn. „Acht Männer haben versucht, ein Wohnzelt vor dem Wegfliegen zu halten. Nach nicht einmal einer halben Minute mussten wir die Seile loslassen“, sagte Jahn, der gestern seine abgeschürften Handgelenke pflegen musste. „Noch schlimmer aber wiegen die Verluste an meinem Wohnhaus. Ich kann jetzt vom Erdgeschoss in den Himmel schauen, weil Dach und Obergeschoss abgedeckt worden.“

Die Bauleute würden sich wegen Einsturzgefahr nicht ins Gebäude trauen. Daher hoffte Jahn auf schwere Technik. Bürgermeisterin Hannelore Brendel hob die große Solidarität zwischen den Einwohnern hervor. „Der beim Hochwasser vor acht Jahren gewachsene Gemeinsinn klappt wieder gut“, sagte sie. „Alle obdachlos gewordenen Einwohner fanden Unterkunft bei Verwandten und Bekannten.“ Dennoch beklagte sie besonders die Schäden an historischen Gebäuden. Die Klosterkirche habe ihre Spitze verloren und auch das Schloss sei erheblich beschädigt worden.

Deutscher Wetterdienst: Warnung nicht möglich

Der Tornado-Beauftragte des Deutschen Wetterdienstes, Andreas Friedrich, ordnete den Mühberg-Tornado auf einer international üblichen Skala von 1 bis 5 immerhin auf Platz drei ein. „Wir bekommen zwar pro Jahr in Deutschland etwa 20 bis 60 Tornado-Meldungen“, sagte Friedrich. „Aber 90 Prozent davon erreichen höchstens die niedrigste Stufe. Nach seiner Erklärung entstehen Tornados unter einer hoch reichenden Schauer- und Gewitterwolke. Darunter müsse sehr feuchter Wind aus verschiedenen Richtungen wehen, der sich dann zu einem bis zum Erdboden reichenden typischen Wolkenrüssel entwickle. „Die genaue Entstehung gehört zu den letzten Geheimnissen der Meteorologie“, meinte Friedrich. Sie könnten wegen ihres begrenzten lokalen Auftretens nicht vom Radar oder vom Satelliten erfasst werden. Nur wenn Augenzeuge eine Meldung abgeben würden, könnte andere Regionen gewarnt werden. Beim legendären Sturm „Kyrill“ lag die Windgeschwindigkeit nur bei 180 bis 200 Kilometern pro Stunde.

„Bei uns verfärbte sich der Himmel gelb-grün“, erinnerte sich die Bürgermermeisterin Brendel. „Da ahnten wir schon Schlimmes. Aber nie hatten wir mit so einer Katastrophe gerechnet.“ Betroffene Haus- und Autobesitzer können bei ausreichender Versicherung mit einem Schadenersatz rechnen.

In Mühlberg hat das Unwetter am Pfingstmontag 80 Prozent der Häuser beschädigt.

© dpa

Dächer werden provisorisch abgedichtet

In der Stadt sind bereits zahlreiche Helfer unterwegs, Baufirmen versuchen, die Löcher in den Dächern provisorisch mit Planen abzudichten, denn für Donnerstag ist der nächste Regen vorausgesagt. Auch der Innenminister hat schnelle Hilfe angekündigt.

Am Pfingstmontag hatten Wind und Regen Mühlberg verwüstet. Augenzeugen berichteten am Dienstag, vor dem Unwetter habe sich der Himmel gelb verfärbt, die Hagelkörner seien so groß wie Tennisbälle gewesen. Von Brandenburg zog das Unwetter weiter in das rund 30 Kilometer entfernte Großenhain. Dort ist ein sechsjähriges Mädchen ums Leben gekommen. Das Kind saß in einem Auto, auf das ein entwurzelter Baum stürzte. In und um Großenhain wurden Dächer abgedeckt und Häuser beschädigt. Die Bahn meldete Behinderungen im Zugverkehr.

Laut Polizei wurden ungefähr 80 Prozent aller Hallen in der Region abgedeckt sowie weitere Dächer und Wohnhäuser zum Teil erheblich beschädigt. Im Einsatz befanden sich am späten Montagabend Kräfte der Landes- und der Bundespolizei sowie der Rettungsdienste und Feuerwehren.

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