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Ein Berg von Rechnungen. Wer nicht mehr zahlen kann, sollte sich an eine anerkannte Schuldnerberatungsstelle wenden. Foto: dpa

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Schuldenregulierer und Kreditvermittler: Geschäfte mit der Armut

Niemand ist so arm, als dass sich mit ihm nicht noch ein Geschäft machen ließe: Wie dubiose Anbieter um zahlungsunfähige Verbraucher werben.

Zwischen drei und vier Millionen Privathaushalte sind in Deutschland überschuldet. Unseriöse Kreditvermittler und Schuldenregulierer nutzen das aus. Sie versprechen, Kredite zu vermitteln, Schulden zu reduzieren, das Verbraucherinsolvenzverfahren durchzuführen – kassieren aber in Wahrheit nur ab. „Bei der Kreditvermittlung und Schuldenregulierung wimmelt es vor schwarzen Schafen“, warnt Heribert Rollik, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände. Auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner warnt vor unseriösen Kreditvermittlern: „Die in Not geratenen Verbraucher, die sich solchen an der Grenze der Legalität agierenden Geschäftsleuten anvertrauen, geraten dadurch noch tiefer in die Schuldenfalle – zum Beispiel durch Wucherzinsen.“

Häufig sind Konsumschulden der Grund für die finanzielle Schieflage. Auch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit spielen eine Rolle. Alleinerziehende sind besonders gefährdet.

Wenn ein Schuldner merkt, dass er seine Schulden nicht zurückzahlen kann, muss er zunächst versuchen, sich mit den Gläubigern außergerichtlich zu einigen. Scheitert die Einigung, bleibt vielen nur der Weg in die Verbraucherinsolvenz. Dabei wird zunächst das pfändbare Vermögen des Schuldners unter den Gläubigern aufgeteilt. Nach sechs Jahren sind dann auch die Restschulden abgegolten, bis dahin darf der Schuldner nur den nicht-pfändbaren Anteil seines Einkommens für sich behalten.

Doch bevor überhaupt ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet werden kann, muss der Schuldner die Bescheinigung eines Rechtsanwaltes, Steuerberaters oder einer „geeigneten Stelle“ über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches mit den Gläubigern vorlegen. Geeignete Stellen sind anerkannte Schuldner- oder Verbraucherinsolvenzberatungsstellen. Bei denen gibt es in aller Regel jedoch lange Wartezeiten.

Die vermeintlich schnellere Lösung findet sich in zahllosen Werbeanzeigen von Schuldenregulierern und Kreditvermittlern in Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblättern und im Internet. „Schulden sofort loswerden – ohne Wartezeit“ wird dort versprochen. Etliche dieser Anbieter lassen sich letztlich einfachste Bürodienste bezahlen, bleiben aber ansonsten untätig. Eine andere Variante: Die Überschuldeten werden darüber informiert, dass für regelmäßige Rechtsdienstleistungen ein Anwalt eingeschaltet werden müsste. Dieser „Spezialist“ sitzt leider weit vom Wohnort des Schuldners entfernt, wodurch eine persönliche Beratung unmöglich scheint. Der Anwalt verlangt natürlich Gebühren für seine Tätigkeit – zusätzlich zu den Gebühren, die für den „Vermittler“ fällig werden.

„Schneller Kredit, ohne Schufa, auch in schwierigen Fällen“ – Überschuldete versuchen oft, ihre finanziellen Probleme durch Aufnahme neuer Kredite oder durch einen Umschuldungskredit zu lösen und sind daher anfällig für solche Werbeversprechen. Doch eine Kreditvergabe ohne ausreichende Bonitätsprüfung kann es von seriösen Anbietern nicht geben. Die Kreditvermittler reichen den Antrag häufig lediglich an Banken weiter, die dann über die Kreditvergabe entscheiden – und sie oft ablehnen. Gebühren oder Vorauszahlungen für den „Vermittler“ werden dennoch fällig.

Doch die unseriösen Berater werben nicht nur über Anzeigen. Frank Wiedenhaupt, Schulden- und Insolvenzberater vom Arbeitskreis Neue Armut in Berlin-Neukölln, berichtet von einem wachsenden Markt für Daten von Menschen mit Schuldenproblemen. Auffällig sei, dass potentielle Klienten immer wieder von Schuldenregulierern und Kreditvermittlern direkt angeschrieben würden. Auskunfteien belieferten ihre Vertragspartner direkt mit Bonitätsinformationen. Brancheninsider berichten zudem, dass unseriöse Berater die Schuldnerverzeichnisse der Amtsgerichte auswerten, um dann die Schuldner anzuschreiben.

Wiedenhaupt nennt Warnzeichen, bei denen der Verbraucher hellhörig werden sollte: Hausbesuche der Anbieter und vorgefertigte Überweisungsträger, die der Kunde unterschreiben soll. Im Gegensatz zum Lastschriftverfahren kann überwiesenes Geld nicht zurückgeholt werden. Auch Verträge, die direkt unterzeichnet werden sollen, ohne dass eine Kopie ausgehändigt wird, und unnötiger Zeitdruck, unter den die Betroffenen gesetzt werden, sind Warnsignale. Allerhöchste Vorsicht ist bei Bausparverträgen oder Versicherungen geboten, die im Zusammenhang mit der Kreditvermittlung abgeschlossen werden sollen. Diese können die Situation des Schuldners weiter verschärfen.

Einer Studie der Schufa aus dem Jahr 2007 zufolge werden jährlich rund 394 000 Verbraucher Opfer eines Kreditvermittlungsbetruges. Das entspricht einem volkswirtschaftlichen Schaden von rund 150 Millionen Euro. „Der Gesetzgeber muss unseriösen Anbietern das Handwerk legen“, fordert Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentralen(vzbv). Nur wer tatsächlich einen Kredit vermittelt hat, sollte von seinen Kunden Zahlungen verlangen können. Auch gegen unseriöse Schuldenregulierer würden gesetzliche Klarstellungen helfen.

Bis es so weit ist, bleibt Betroffenen nur der Weg zu den anerkannten Schuldner- und Verbraucherinsolvenz-Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände und Kommunen oder zu den Verbraucherzentralen – auch, wenn dies mit langen Wartezeiten verbunden ist. In aller Regel ist eine solche Beratung unentgeltlich, und das ist mit das Wichtigste für den Überschuldeten.

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