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Brandenburg: Verfassungsschutz-Chef unter Druck

Innenminister Schönbohm über V-Mann-Affäre verärgert. Sondersitzung der Parlamentarischen Kontrolleure

Von Frank Jansen

Von Frank Jansen

und Michael Mara

Potsdam. Der Innenminister gerät in Rage: Die neue V-Mann-Affäre sei „in höchstem Maße ärgerlich“, sagte Jörg Schönbohm (CDU) am Sonntag dem Tagesspiegel. Der Verfassungsschutz stehe nur ein halbes Jahr nach dem Wirbel um den in Berlin verurteilten V-Mann Toni S. erneut in den Schlagzeilen. Schönbohm wollte jedoch von einem Rücktritt von Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin nichts wissen: „Ich bin dagegen, immer gleich Köpfe rollen zu lassen. Im übrigen ist Wegesin ein guter Mann." Dagegen sagte der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Christoph Schulze (SPD), „es wird jetzt eng für Wegesin". Man müsse prüfen, „ob das Fass übergelaufen ist". Das Vertrauen in den Verfassungsschutz sei „stark beschädigt“. Die PKK ist für die Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständig. Dass zur Verschwiegenheit verpflichtete vierköpfige Parlamentarier-Gremium wird am Dienstag wegen der Affäre zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

Ein rechtsextremer V-Mann des Verfassungsschutzes, hatte, wie berichtet, im Februar 2001 eine geplante Razzia der Potsdamer Polizei an einen Neonazi verraten. Die Polizei zog die Razzia um zehn Tage vor, fand aber nicht die erhofften Hinweise auf die Terrorgruppe „Nationale Bewegung“. Gegen diese ermittelt Generalbundesanwalt Kay Nehm wegen einer Serie von Straftaten bis hin zu Brandanschlägen. Die Fahndung nach den Tätern blieb bis heute erfolglos. In Sicherheitskreisen wird der Verdacht geäußert, möglicherweise stehe ein weiterer V-Mann des Verfassungsschutzes in Kontakt zur Terrorgruppe. Es sei denkbar, dass der Verfassungsschutz diesen Spitzel vor den Ermittlungen habe schützen wollen und deshalb den anderen V-Mann zum Verrat der Razzia veranlasste.

Für den PKK-Vorsitzenden Schulze hat die neue Affäre im Vergleich zu der um Toni S. eine „ganz andere Qualität": Nicht nur wegen des Verrats einer geplanten Razzia gegen die rechtsextreme Szene durch einen V-Mann des Verfassungsschutzes, „sondern weil der Verfassungsschutz den zwei Jahre zurückliegenden Vorgang der Parlamentarischen Kontrollkommission verschwiegen hat". Spätestens, als die PKK die Affäre um den in Berlin wegen des Vertriebs rechtsextremistischer Musik-CDs verurteilten V-Mann Toni S. aufgearbeitet habe, hätte Wegesin berichten müssen, dass er „noch ein anderes Problem" habe. Der Verfassungsschutz, betonte Schulze, habe eine Informationspflicht gegenüber der PKK und müsse diese über alle brisanten Fälle informieren. Es werde notwendig sein, den Verfassungsschutz durch das Parlament stärker zu kontrollieren, sagte Schulze.

Die PDS wirft Schönbohm vor, er habe den Verfassungsschutz nicht im Griff. „Unsere früher erhobene Forderung nach dem Rücktritt Schönbohm steht noch immer“, sagte die Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht, die auch der PKK angehört. Die PDS will vor allem wissen, ob der Minister in den vergangenen zwei Jahren Kenntnis vom Verrat der Razzia hatte. Schönbohm sagte dem Tagesspiegel, er habe erst Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz Hinweise erhalten und sei am Freitag mündlich informiert worden. Intern zeigt man sich in der CDU besorgt, dass die neue V-Mann-Affäre den Parteitag am kommenden Wochenende überschatten könnte. Schönbohm stellt sich dort zur Wiederwahl als Landesvorsitzender.

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