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Brandenburg: Verteidigungsminister ignoriert Rechnungshof

Starre Fronten im Streit ums Bombodrom: Die Finanzprüfer lehnen den Übungsplatz ab – Franz Josef Jung beharrt weiter darauf

Potsdam/Wittstock - Brandenburgs Landesregierung sieht kaum noch Chancen, Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im Streit um den geplanten Bombenabwurfplatz bei Wittstock zum Einlenken zu bewegen. „Der Übungsplatz ist überflüssig und für die Bevölkerung nicht zumutbar. Das bleibt die klare Haltung des Kabinetts“, sagte Staatskanzleichef Clemens Appel am Montag dem Tagesspiegel. „Aber die Generalität der Luftwaffe ist offensichtlich in der Lage, jeden Verteidigungsminister auf ihre Linie zu bringen.“

Appel reagierte damit auf das jüngste Schreiben von Jung an die von den Planungen für das sogenannte Bombodrom betroffenen Landkreise Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg sowie Müritz und Strelitz in Mecklenburg-Vorpommern. Der Verteidigungsminister lehnt darin weiter einen Verzicht auf den früheren russischen, 140 Quadratkilometer großen Luft-Boden-Übungsplatz im Nordwesten Brandenburgs strikt ab, obwohl die Bundeswehr seit 1992 alle relevanten Prozesse verloren hat und jüngst selbst der Bundesrechnungshof das Projekt als überflüssig rügte. In dem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben, das kurz vor Weihnachten bei den Kreisen einging, geht Jung mit keinem einzigen Wort auf die zahlreichen Gerichtsniederlagen und die Rüge des Bundesrechnungshofes ein – zum Befremden von Landkreis, Regierung und allen demokratischen Parteien im Land.

Dabei hatten die obersten Finanzkontrolleure des Bundes einen Verzicht auf das Projekt gefordert, weil die Luftwaffe schon die bestehenden Übungsplätze in Siegburg und Nordhorn nicht auslaste – und laut Prüfbericht bei der Bombodrom-Planung mit überzogenen Bedarfszahlen operiert. Ungeachtet dessen schreibt Jung: „Die Bundeswehr hat nach wie vor einen zwingenden Bedarf, den Luft-Boden-Schießplatz Wittstock insbesondere zur Ausbildung der Luftwaffe zu nutzen.“ Konkreter begründet wird dies nicht, Jung argumentiert allgemein mit Übungsnotwendigkeiten für die Luftwaffe, die sich aus Gefahren wie der „Bedrohung durch den internationalen Terrorismus“ ergeben würden. Das Bombodrom sei der „einzige Übungsplatz in Deutschland und im nahen Ausland, der die Übung realitätsnaher Einsätze erlaubt“. Befürchtungen, der Tourismus in der Rheinsberger Seenplatte und um die Müritz würde durch die Tiefflüge leiden, nennt Jung unbegründet. Es gebe „keine Region in Deutschland“, wo der Tourismus aufgrund von militärischem Flugbetrieb „gravierende Einbrüche erlitten hat“. Die Luftwaffe habe sich zudem „Selbstbeschränkungen“ auferlegt, in dem sie etwa den Übungsplatz während der Sommerferien sowie an Wochenenden und Feiertagen nicht nutzen werde.

Ungeachtet der starren Haltung des Verteidigungsministers wollen sich die Landesgruppen von SPD und CDU im Bundestag möglichst noch im Januar mit Jung treffen, um ihn zur Aufgabe der Pläne zu bewegen. Ein Termin steht noch nicht fest. Peter Danckert, Chef der Brandenburger SPD-Landesgruppe, nannte es „unverantwortlich“, dass Jung den Rechnungshofbericht ignoriere. Wenn Bundesministerien so mit Hinweisen der Finanzkontrolleure umgingen, sagte Danckert, „kann man den Bundesrechnungshof gleich abschaffen“. Der Landrat von Ostprignitz-Ruppin, Christian Gilde (SPD), diagnostiziert nach Jungs Brief „regierungsamtliche Blindheit“.

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