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Brandenburg: Warten auf die Welle

In Mühlberg an der Elbe versuchen die Bewohner, sich vor dem Wasser zu schützen: mit Schippen, Sand und Säcken

Von Claus-Dieter Steyer

Mühlberg. „Sandsäcke her!“, „Schnell, eine Schippe!“, „Wir brauchen mehr Kies, Tempo!" Kommandos dieser Art flogen gestern Nachmittag wie wild auf dem Bauhof der Kleinstadt Mühlberg ganz im Südwesten Brandenburgs hin und her.

Viele Einwohner füllen hier schon seit Dienstag Sandbehälter, um ihren Ort vor den Folgen des drohenden Elbe-Hochwassers zu schützen. Kleinlaster karrten ununterbrochen Sand und Kies heran und verteilten die Säcke im ganzen Stadtgebiet. Sie sollten Keller und Türen wenigstens etwas abdichten, falls die Elbe über die Deichkrone schwappt oder die Dämme brechen. Bis gestern Abend wurden rund 10 000 Sandsäcke gezählt. Aus dem Brandenburger Katastrophenlager in Beeskow kam rasch Nachschub. Mehrere Hausbesitzer verbarrikadierten die Eingänge zusätzlich mit Brettern und Stahlplatten.

„Die Ungewissheit ist das Schlimmste“, sagte Bürgermeisterin Hannelore Brendel. „Denn noch wissen wir nicht, ob wir die Menschen zum Verlassen ihrer Häuser auffordern sollen.“ Die Lage sei kritisch, ändere sich aber fast stündlich. „Wir hoffen natürlich, dass unsere Deiche dem Druck standhalten. Aber niemand kann eine Garantie dafür geben." 2500 bis 3000 Menschen müssten beim Deichbruch aus der Stadt gebracht werden. Denn zum eigentlichen Mühlberg kommen noch benachbarte Ortsteile hinzu, die ebenfalls überschwemmt würden. Den ganzen Tag über liefen Vorbereitungen, um die Einwohner in Turnhallen, Jugendklubs, Gemeinschaftshäusern unterzubringen. Andere wollen zu Verwandten und Bekannten in höher gelegenen Orten ziehen.

„Ich habe unsere Geldkassette und Versicherungsscheine mitgenommen“, sagte eine ältere Frau auf dem Marktplatz. „Außerdem stecken im Koffer Sachen für die nächsten Tage.“ Besondere Aufmerksamkeit galt einem Pflegeheim mit 80 Bewohnern, die ebenfalls auf eine Verlegung vorbereitet wurden. Bundeswehr und Polizei standen bereit, um kurzfristig zu helfen. Am Abend trafen Ministerpräsident Matthias Platzeck und Innenminister Jörg Schönbohm in Mühlberg ein.

Die etwa 17 Kilometer langen Deiche vor Mühlberg sind mehr als 100 Jahre alt. Einige Schadstellen wurden in vergangenen Jahren zwar repariert, aber eine grundlegende Erneuerung steht noch aus. „Füchse und Maulwürfe machen uns zu schaffen“, erklärte Kreisbrandmeister Günter Keil. „Sie machen den Damm durchlässig. Deshalb beobachten Deichläufer ständig den gesamten Abschnitt, um sofort Alarm geben zu können.“ Der erfahrene Feuerwehrmann vermutet eine Flutwelle. Das Wasser schwappe nicht „wie bei einer voll gelaufenen Badewanne langsam über die Kante“, sondern reiße einen Spalt in den Deich, wo es dann hindurchfließe.

Die Mühlberger schützten gestern nicht nur ihre privaten Häuser, sondern auch den historischen Stadtkern. So gehört die zwischen 1250 und 1350 errichtete Klosterkirche mit der prachtvollen Westfassade zu den bedeutendsten Backsteinbauten Deutschlands. Das Zisterzienserkloster selbst wurde im 16. Jahrhundert aufgelöst. Mehrere Gebäude des fast vollständig erhaltenen Ensembles werden heute für öffentliche Zwecke genutzt. Vom Hochwasser wäre auch das Schloss von 1545 betroffen.

Kopfschüttelnd schauten viele Einwohner aus sicherer Entfernung auf das rund 500 Meter breite Flussbett. „Ich kann mich nur an den Winter 1947 erinnern“, erzählte ein älterer Mann am Hafen. „Damals war die Elbe zugefroren und Eisschollen schoben sich über den Deich. Aber das war nicht weiter schlimm.“ Das Hochwasser zog sehr zum Ärger der Einsatzleitung viele Schaulustige an. Mehrere Zufahrtsstraßen zum Deich wurden deshalb durch die Polizei gesperrt. „Diese leichtfertigen Menschen bringen sich selbst und dann auch die Retter in höchste Gefahr“, hieß es von den Beamten.

„Viel wird davon abhängen, wie lange das Wasser an den Deichen in dieser Höhe steht“, sagte Landrat Klaus Richter. Den Zustand der Dämme könne niemand genau einschätzen.

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