zum Hauptinhalt

Panorama: Der "Météor" rast durch den Tunnel

PARIS .Sitzgelegenheiten sind in der Pariser Metro immer heiß begehrt.

PARIS .Sitzgelegenheiten sind in der Pariser Metro immer heiß begehrt.Um die sechs vordersten Plätze im Météor werden sich die Passagiere reißen.Denn sie erlauben den Blick nach vorn, in eine Welt von seltsamem Reiz: Tunnel bei Tempo 80, Gleise im Halbdunkel, hell erleuchtete Stationen.Züge, genauso fahrerlos wie der eigene, kommen einem entgegen.

Seit Donnerstag mittag, als Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac den Météor (Metro Est Ouest Rapide, Schnelle Ost-West-Verbindung) eingeweiht hat, nehmen die Fahrgäste die erste neue Pariser Metro-Linie seit 1935 in Besitz.Die vollautomatischen Züge der von nun an prosaisch Linie 14 genannten Verbindung, fahren vom Zentrum der französischen Hauptstadt (die Metro-Station Madeleine) zur Bibliothèque François Mitterrand im neu erschlossenen Stadtteil Tolbiac.Sieben Kilometer, sieben Stationen, zehn Jahre Bauarbeiten.

Die Zahlen der Linie 14 sprechen für sich.Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h fährt der Météor rund doppelt so schnell wie die Züge auf den Linien 1 bis 13.In den Hauptverkehrszeiten fährt vorläufig ein Zug alle zwei Minuten (später soll der Takt auf 85 Sekunden verkürzt werden), in den Nebenzeiten alle viereinhalb Minuten, was eine Kapazität von 25 000 Passagieren pro Stunde und Richtung bedeutet.Die Pariser Metrogesellschaft RATP rechnet im ersten Jahr mit 120 000 Fahrgästen pro Tag; vom Jahr 2000 an sollen täglich 200 000 Menschen mit der Linie 14 fahren.

Auf technischer Seite ist der Météor das Werk von Matra Transport International (MTI), bislang einem Joint Venture von Siemens und dem französischen Technologiekonzern Matra.Letzte Woche wurde jedoch bekannt, daß Siemens Matra weitgehend herauskauft und künftig 95 Prozent an MTI hält.Bei MTI, wo das "Gehirn des Météor" entwickelt wurde (die Züge stammen von Alstom), hofft man auf einen Export des Systems nach New York, Nürnberg, Hong Kong und Berlin.Als bislang weltweit einziges System erlaube es den gleichzeitigen Betrieb von herkömmlichen und vollautomatischen Linien, wodurch MTI für anstehende Renovierungen von alten U-Bahn-Systemen bestens plaziert sei.

Früher oder später könnten alle Pariser Metro-Linien nach dem Vorbild des Météor umgestaltet werden, meint denn auch François Saglier, der verantwortliche Projektmanager der RATP.Das allerdings sei keine Frage von Jahren, sondern von Jahrzehnten.Saglier: "Alles, was gut ist an der Metro, haben wir beibehalten.Alles, was schlecht ist, haben wir weggelassen".Das gilt vor allem für die Metro-Stationen.Ein Glaskäfig trennt nun den Bahnsteig vom Gleis, was die Haltestellen sicherer und sauberer macht.Erstmals können auch Rollstuhlfahrer die Metro benutzen und auch die endlosen, spätabends oft menschenleeren Gänge gibt es auf der Linie 14 nicht: Wer etwa an der Station Madeleine aus- oder umsteigt, benutzt einen zentralen, 18 Meter tiefen und weitgehend offenen Schacht.

Doch technische Perfektion des Systems und edle Baumaterialien in den Stationen haben ihren Preis: 6,8 Milliarden Franc (zwei Milliaren DM) hat die Linie bis heute gekostet."Elf Minuten Luxus", moniert krittelnd das "Journal du Dimanche".Für nochmals 1,6 Milliarden Franc werden im Jahr 2003 zwei weitere Stationen an die Linie 14 angeschlossen.Kritiker ärgert dabei, daß der Météor und das Schwesterprojekt Eole, eine noch im Bau befindliche neue RER-Schnellbahnlinie, in den vergangenen zehn Jahren etwa die Hälfte des Budgets für den öffentlichen Personennahverkehr im Großraum Paris verschlungen haben.Das sei eine krasse Fehllenkung des Verkehrshaushalts, weil es völlig am Bedarf vorbeigehe, behaupten sie.Nötig gewesen wären vielmehr Investitionen in Nahverkehrsverbindungen zwischen den einzelnen Vorstädten, die den Löwenanteil der Fahrten in der Region Ile de France ausmachten.Der Météor hingegen fährt nur innerhalb der Pariser Stadtgrenzen und Eole verbindet die Kapitale mit den Vorstädten.

RATP-Präsident Jean-Paul Bailly hingegen wiegelt ab.Es seien nicht etwa die Einwohner von Paris, die besonders vom Météor profitierten, sondern vielmehr die Bewohner der Vorstädte.Bis zu 80 Prozent der Météor-Benutzer kämen künftig aus den "banlieues", glaubt Bailly.Zudem entlaste der Météor die völlig überlastete und ebenfalls von Pendlern benutzte RER-Linie A.Und mit Kosten von 800 Millionen Franc pro Kilometer sei die Linie 14 nur halb so teuer wie die vergleichbare neue "Jubilee Line" in London.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false