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Aufsteiger: Saudi-Arabien, hier die Hauptstadt Riad, hat es in diesem Jahr unter die fünf wichtigsten Exportmärkte der Berliner Wirtschaft geschafft.

© picture-alliance/ dpa

Auf nach Saudi-Arabien: Berliner Firmen entdecken die Fremde

Die Hauptstadt war lange eher schwach im Welthandel. Das scheint sich zu ändern. Einer der Zukunftsmärkte ist der Nahe Osten.

Warum in die Ferne schweifen? Diese Frage scheint man sich in Berliner Vorstandsetagen in der Vergangenheit häufiger gestellt zu haben. Das lässt zumindest die Außenhandelsstatistik der vergangen Jahre vermuten: 2014 lag die Exportquote der Berliner Firmen bei lediglich elf Prozent. Im Bundesländervergleich reichte es daher für die Hauptstadtwirtschaft nur für den letzten Platz. Mal wieder – schon seit 2008 ist Berlin bei der Exportquote durchgängig Schlusslicht.

Auch 2015 erwartet die Industrie- und Handelskammer (IHK) beim Thema Außenhandel keine Überraschungen. So wurden von Januar bis Oktober Güter im Gegenwert von 11,6 Milliarden Euro ins Ausland geliefert, für das Gesamtjahr rechnet die stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführerin Melanie Bähr damit, die Marke von 13 Milliarden Euro zu knacken. Das wäre ein „ordentliches Ergebnis“, kommentierte sie die Prognose.

Von Europa nach Asien

Allerdings will man sich mit dieser Exportschwäche bei der IHK nicht länger abfinden: „Da muss Bewegung reinkommen“, sagte Sami Bettaieb, IHK-Exportexperte, am Dienstag. Als ersten Schritt hat die Kammer jetzt eine Studie zum Berliner Außenhandel vorgelegt. Und die zeigt, dass die Unternehmen durchaus bereit sind, neues Terrain zu betreten.

Fast jedes zweite der 350 befragten Unternehmen (43 Prozent) erwirtschaftet demnach bereits heute mindestens ein Viertel des Gesamtumsatzes im Ausland – bei jedem vierten Unternehmen wurde sogar jeder zweite Umsatz-Euro im internationalen Geschäft umgesetzt. Wenn es die Berliner dabei ins Ausland zieht, sind es zumeist Länder in der europäischen Nachbarschaft. Ganze 86 Prozent der befragten Unternehmen sind dort bereits geschäftlich aktiv. Laut Studie planen zudem 49 Prozent damit, ihr Geschäft im europäischen Ausland noch auszubauen oder vor Ort zu investieren. Mit deutlichem Abstand folgen auf die Länder in den Regionen Asien (30 Prozent) und Nordamerika (27 Prozent). Langfristig werde Europa allerdings an Bedeutung für die Berliner als Exportmarkt abnehmen und dafür asiatische Länder wie China, Korea oder Japan zulegen, glaubt Bettaieb.

Hoffen auf Aufbruch im Iran

Eine immer größere Rolle spielen für Berliner Firmen auch zwei Länder aus dem Nahen Osten. So legten die Exporte aus der Hauptstadt nach Saudi-Arabien bis Oktober um mehr als 70 Prozent zu. Der Golfstaat liegt somit mittlerweile auf Platz vier der wichtigsten Abnehmerländer für Produkte „Made in Berlin“. Vor allem deutsche Tabakwaren, wie sie etwa Philip Morris in Neukölln produziert, werden von den Saudis nachgefragt, erklärte IHK-Experte Bettaieb. Aber auch Maschinen und technische Ausrüstung für Infrastrukturprojekte finden viele Abnehmer bei den Saudis.

Auch von der anderen Seite des Persischen Golfes, aus dem Iran, dürften Bestellungen für Produkte aus Berlin künftig häufiger eintreffen. Seit sich die internationale Gemeinschaft mit Teheran auf ein Atomabkommen geeinigt hat, herrscht unter deutschen Firmenchefs Goldgräberstimmung. Auf ein Gesamtvolumen von rund zehn Milliarden Euro taxierte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) das mögliche Geschäftspotenzial im Iran für deutsche Unternehmen. „Auf die Berliner Wirtschaft heruntergebrochen, würde das ein Volumen von 167 Millionen Euro bedeuten“, schätzt Bettaieb. Damit lägen die Exporte noch über dem Niveau vor Sanktionsbeginn im Jahr 2006 (144 Millionen Euro).

Außenhandelsstrategie könnte helfen

Um die Internationalisierung der Berliner Wirtschaft voranzutreiben, bedürfe es aber auch politischer Schützenhilfe, fordert IHK-Vizechefin Bähr. Als gelungenes Beispiel nennt sie eine Reise mit Bürgermeister Michael Müller (SPD) samt Wirtschaftsdelegation im Oktober nach Israel. „Auf der Reise haben wir gesehen, wie der Bürgermeister helfen konnte, Türen zu öffnen und Geschäftskontakte herzustellen“. Auch für das kommende Jahr plant die IHK deshalb nun Reisen, um die Unternehmer besser zu vernetzen: So ist für März eine Reise in die Türkei und für Mai eine weitere in die USA vorgesehen.

„Es reicht nicht, in die arabische Welt zu reisen und sich anschließend jahrelang nicht mehr blicken zu lassen“, warnt Bähr. Diese Geschäftskontakte müssten ausgebaut und langfristig gepflegt werden. Langfristig strebt die Kammer zudem eine neue Außenhandelsstrategie an, die gemeinsam mit dem Senat entwickelt werden soll. Bis es allerdings soweit ist, wird es wohl noch eine Weile dauern: „Vor den nächsten Wahlen wird das nichts mehr“, vermutet Bähr.

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