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Nichts geht mehr. Zweimal haben die Lokführer bereits im Rahmen von Warnstreiks die Arbeit niedergelegt. Jedes Mal fielen 90 Prozent der Züge aus - wie hier bei der Berliner S-Bahn.

© dpa

Bahn attackiert Lokführer-Gewerkschaft: „Das Hin und Her muss ein Ende haben“

Die GDL plant unbefristete Streiks im Zugverkehr. Damit schadet sie sich selbst, warnt Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Mit einer Niederlage rechnet er trotzdem nicht.

Herr Weber, im Streit mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL steuern Sie auf eine Niederlage zu. Wann geben Sie auf?

Eine Niederlage? Das sehe ich gar nicht. Was ich sehe, ist, dass ohne Not Warnstreiks stattgefunden haben, die Kunden, Mitarbeiter und Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen.

Zweimal haben die Lokführer bislang die Arbeit niedergelegt, nun folgt die Urabstimmung über unbefristete Streiks. Das halten Sie nicht lange aus.

Warum die GDL gestreikt hat, hat wohl niemand verstanden – wir jedenfalls nicht. Die Gewerkschaft erklärt es uns auch nicht. Rationale Gründe dafür gibt es nicht. Wir haben zwei seriöse Angebote abgegeben, die beide rasch abgelehnt wurden. Zu streiken, bevor überhaupt die Verhandlungen begonnen haben, ist schon ungewöhnlich.

Ulrich Weber (64) ist seit 2009 als Personalvorstand zuständig für die mehr als 300 000 Beschäftigten der Deutschen Bahn.
Ulrich Weber (64) ist seit 2009 als Personalvorstand zuständig für die mehr als 300 000 Beschäftigten der Deutschen Bahn.

© Imago

Die GDL will fünf Prozent mehr Geld und Tarifverträge auch für Zugbegleiter verhandeln. Was ist daran schwer zu verstehen?

Wir haben in beiden Fragen längst reagiert – beim Lohn und bei der Ausweitung von Zuständigkeiten. Darüber haben wir seit dem Frühjahr intensiv geredet. Mitte August hat die GDL die Gespräche abrupt beendet – warum, wissen wir nicht. Jetzt wirft uns die Gewerkschaft „Blockade“ vor – obwohl wir uns um Dialog bemühen. Wenn hier jemand initiativ war, dann wir, wenn jemand blockiert hat, ist es die GDL. Wie man per Streik Zusammenarbeit regeln will, leuchtet mir nicht ein.

Lokführer-Chef Claus Weselsky wirft Ihnen vor, die GDL entmachten zu wollen.

Das Gegenteil ist richtig. Beide Gewerkschaften, sowohl die größere EVG als auch die kleinere GDL, sollen ihren Einfluss behalten und sogar mehr Möglichkeiten als vorher erhalten. Trotzdem fällt die GDL in alte Rituale und hofft darauf, dass wir einknicken – wie soll das gehen? Wir brauchen Spielregeln und dafür brauchen wir die GDL.

Kaum ein Bahn-Kunde weiß, warum die GDL streikt. Dort heißt es nur: Die Bahn soll mehr zahlen, bewegt sich aber nicht.

Ohne Spielregeln geht es nicht. Wenn Gewerkschaften in einem Betrieb unterschiedliche Bedingungen für dieselbe Berufsgruppe aushandeln, ist Streit programmiert, und praktikabel ist es im Alltag auch nicht. Die GDL bliebe bei unserem Konzept für die Lokführer zuständig, und sie bekäme sogar noch mehr Rechte beim übrigen Zugpersonal. Von einem Tarifkartell zulasten der GDL zu reden ist Unsinn. Eine Urabstimmung abzuhalten statt erst mal zu verhandeln, ist in jedem Fall merkwürdig.

Die Lokführer verlangen auch mehr Geld. Warum erhöhen Sie Ihr Angebot nicht?

Es liegt eines auf dem Tisch, 1,9 Prozent sind ja erst mal nicht nichts. Aber darüber will die GDL nicht verhandeln.

Sie beziffern das Forderungspaket der GDL auf insgesamt 15 Prozent. Da sind 1,9 Prozent nicht viel.

Einige Forderungen sind unerfüllbar, das weiß die GDL. Man muss ja auch die wirtschaftliche Ausgangslage berücksichtigen. Unser Angebot beim Geld aber derart abzutun, wie es Herr Weselsky tut…

… er spricht von einer „Schmierenkomödie“…

…das gehört sich nicht. Wir könnten auch mehr Prozente anbieten, und die GDL würde nicht kommen. Dieses Hin und Her, dass der eine Angebote macht und der andere stets ablehnt und mit Krawall droht, muss ein Ende haben. So läuft das Tarifgeschäft nicht. Wer ernst genommen werden will, muss Grundregeln des Miteinanders akzeptieren. Wir reden darüber, dass eine erwachsen gewordene GDL sich auch erwachsen verhält. Sozusagen mein Appell an die Vernunft.

Sitzt die GDL nicht am längeren Hebel?

Nein. Langfristig stellt sich die GDL mit einer solchen Taktik ins Abseits. Ich erwarte, dass wir bald wieder an einen Tisch kommen und die GDL erklärt, wie sie sich das weitere Vorgehen vorstellt.

Weber will "zur Sachlichkeit zurückkehren"

Was kostet ein Streiktag?

Das ist schwer abzuschätzen. Bei unbefristeten Streiks sind wir schnell im Millionenbereich. Es kommt darauf an, ob der Fern-, Güter- oder Regionalverkehr betroffen ist.

2007/2008 hat die Bahn versucht, GDL-Streiks mit juristischen Mitteln zu stoppen. Werden Sie das wieder tun?

Das gehört nicht zu meinen Denkmustern. Ich setze darauf, dass wir früher oder später wieder am Verhandlungstisch sitzen. Bisher haben wir uns immer verständigen können, das wird auch dieses Mal so sein.

Für eine Lösung brauchen Sie EVG-Chef Alexander Kirchner. Dass der sich mit Weselsky nach dessen Äußerungen über behinderte Menschen an einen Tisch setzt, ist schwer vorstellbar.

Wir müssen zur Sachlichkeit zurückkehren. Jeder hat seine Verantwortung. Nicht nur wir, auch die GDL. Sie muss darüber nachdenken, ob ein derart scharfes Vorgehen angemessen ist. Die Lage der Mitarbeiter hat sich in den vergangenen Jahren stark verbessert – die Einkommen sind ordentlich gestiegen, wir haben Zehntausende eingestellt, tun mehr für die Gesundheit, einen besseren Übergang für Ältere in die Rente, und wir bemühen uns mehr um individuelle Bedürfnisse bei Schichtplänen. Das weiß auch die GDL!

Sie erwarten, dass die Geschlossenheit der GDL bröckelt?

Da halte ich mich raus. Lokführer sind hoch qualifiziert und machen ihren Beruf gerne.

Die Regierung will per Gesetz regeln, dass die stärkste Gewerkschaft in einem Betrieb das Sagen hat. Welche Rolle spielt das?

Wir setzen auf freiwillige Kooperation, die wir aus eigener Kraft hinbekommen. Im Moment bieten wir der GDL mehr an, als sie hatte und bekommen könnte.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

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