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Wirtschaft: Bahn-Börsengang rückt in weite Ferne

Koalition noch immer uneins über Details – Konzern meldet Umsatz und Gewinn auf Rekordniveau

Berlin - Die Verhandlungen zur Privatisierung der Deutschen Bahn kommen nicht voran. Ein Expertentreffen vom Donnerstag, das eigentlich die Entscheidung über die Art des Börsengangs der Bahn bringen sollte, wurde am Abend ergebnislos vertagt. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kündigte einen neuen Einigungsversuch für den 8. November an. „Die zwei, drei Wochen werfen keinen um.“ Ob es dann eine Entscheidung gebe, könne er nur hoffen.

In Kreisen der Koalition wurde ein mehrmonatiges Moratorium für den Börsengang nicht mehr ausgeschlossen. Dies stoße aber auf den Widerstand der SPD. „Die wollen unbedingt eine Entscheidung“, hieß es. Im Kern geht es um die Frage, wie viel Kontrolle über das Gleisnetz die Bahn nach einer Privatisierung noch hat. Viele Parlamentarier fürchten, nicht mehr beeinflussen zu können, was die Bahn in Zukunft mit dem weiterhin fließenden Staatsgeld für die Infrastruktur macht. Die Union und Wirtschaftsminister Michael Glos wollen, dass die 34 000 Kilometer Schienen dem Bund übereignet, aber von der Bahn bewirtschaftet werden. SPD und Verkehrsminister Tiefensee plädieren dafür, das juristische Eigentum dem Bund, der Bahn aber die wirtschaftliche Verfügung zu übertragen – dann könnte sie das Netz auch in ihre Bilanz aufnehmen. Bahnchef Hartmut Mehdorn hat eine rasche Entscheidung verlangt und massiven Schaden durch die Hängepartie für die Bahn beklagt.

SPD und Union beharrten am Donnerstag jeweils auf ihren Vorstellungen. Sie beauftragten die Regierung, bis Anfang November noch wichtige rechtliche Fragen zu klären. Auf dieser Basis soll dann ein Entschließungsantrag zur Bahn-Privatisierung für den Bundestag formuliert werden. „Dabei soll quasi ein Koalitionsmodell für die Privatisierung herauskommen“, sagte der SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer dieser Zeitung. „Der Bund muss mit der Bahn in der Frage des Netzes auf Augenhöhe sein“, sagte der Vizefraktionschef der Union, Hans-Peter Friedrich, dem Tagesspiegel. Beide wollten sich nicht festlegen, wann die Privatisierung der Bahn letzten Endes beginnen könne. Wie die Parteien zu einem Kompromiss kommen sollen, erscheint fraglich. Womöglich gibt es erst zwischen SPD-Parteichef Kurt Beck und Kanzlerin Angela Merkel eine Entscheidung. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, die Bahnreform fortzuführen.

Kurz vor dem Treffen legte die Bahn ihre Zahlen für die ersten neun Monate dieses Jahres vor. Und die fielen gut aus. Der Umsatz kletterte um 19 Prozent auf 22 Milliarden Euro. Rechnet man den am Jahresanfang gekauften US-Logistiker Bax heraus, bleibt immer noch ein Zuwachs von acht Prozent. Damit hat die Bahn eine leichte Schwäche im Juli überwunden und konnte Zuwachsraten melden, die wieder an die Erfolge im ersten Halbjahr anknüpften. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen erreichte rund 1,5 Milliarden Euro – und liegt schon jetzt über dem Jahresergebnis der Bahn von 2005. Dabei ist vor allem im Personenverkehr das vierte Quartal besonders gut. 2006 werde „das beste Jahr in der Geschichte der Deutschen Bahn sein“, sagte Konzernchef Mehdorn.

Einen kleinen Fehler zeigten die Zahlen aber: Der Anstieg im Personenverkehr hat sich abgeschwächt. Die Zahl der Personenkilometer, also die Summe aller Strecken, die Menschen in Deutschland mit der Bahn zurückgelegt haben, hatte noch im ersten Halbjahr um 5,1 Prozent zugelegt. Darin spiegelt sich auch der Effekt der Fußball-WM wider. Mittlerweile liegt der Zuwachs nur noch bei vier Prozent.

Der Vorstandschef des Energiekonzerns EnBW, Utz Claassen, hat derweil Bahn-Chef Mehdorn gegen Kritik verteidigt. „Die Bahn kann dankbar sein für jeden Tag, den sie so einen exzellenten Vorstandsvorsitzenden hat“, sagte Claassen dieser Zeitung. Gerüchte, er sei als Mehdorns Nachfolger im Gespräch, wies er als „überflüssige Spekulation“ zurück, die er nicht kommentieren wolle. Mehdorn sei ein guter Freund von ihm.

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