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Berufe: Frauen wollen an die Spitze

Noch gibt es nur wenige weibliche Führungskräfte – das könnte sich nach einem Musterurteil ändern.

Manchmal hilft die Ausbildung in Männerberufen, um als Frau zur Führungskraft zu werden: Birgit Grunewald studierte an der Technischen Fachhochschule Lebensmittel- und Verpackungstechnik und kam so vor zehn Jahren als Leiterin der Qualitätssicherung zum Getränkehersteller Coca-Cola in Berlin. Und vor eineinhalb Jahren stieg sie zur bundesweit ersten Werksleiterin auf. „Ich hatte nie Probleme, weil ich eine Frau bin“, sagt die 40-jährige Chefin von 250 Beschäftigten in Hohenschönhausen, das Auswahlverfahren sei „absolut geschlechtsneutral“ gewesen – es zählte nur die Kompetenz.

Doch das ist nicht überall so. Gerade urteilte das Landesarbeitsgericht erstmals aufgrund statistischer Daten, die eine Benachteiligung von Frauen zeigten (wir berichteten). Geklagt hatte eine Abteilungsleiterin bei der Gema. Ohne Ausschreibung hatte die Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte einen Mann zum Personaldirektor befördert. Die Klägerin argumentierte, dass rund 65 Prozent der Gema-Beschäftigten weiblich seien; rechnerisch gebe es nur eine einprozentige Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine Frau einen der 27 Führungsposten hat. Das Gericht sprach ihr eine Entschädigung und eine Gehaltserhöhung zu. Es war eines der ersten Berliner Urteile auf Basis des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes von 2006.

„Bei uns haben sich schon fünf Frauen aus anderen Unternehmen gemeldet, die auch klagen wollen“, sagt Andreas Köhn von der Gewerkschaft Verdi. Es gebe noch viel mehr Beschwerden über Diskriminierung, etwa bei den Hochschulen und Verkehrsbetrieben. Die meisten Frauen schreckten allerdings vor rechtlichen Schritten zurück – nicht zuletzt wegen der Anwalts- und Gerichtskosten.

Köhn war als ehrenamtlicher Richter an dem Urteil beteiligt, das noch vom Bundesarbeitsgericht bestätigt werden muss. Er hofft auf einen „Dammbruch“: Der Entscheid könne für viele Betriebe den Anstoß geben, die Gleichbehandlung von Frauen ernster zu nehmen. Die Gewerkschaft habe diese intern verwirklicht: 56 Prozent der Verdi Mitglieder in Berlin und Brandenburg seien weiblich, und deshalb habe man zwei Frauen in den dreiköpfigen Landesbezirksvorstand gewählt – der einzige Mann im Gremium ist Köhn selbst.

„Ich wünsche mir, dass Arbeitgeber nicht auf weitere Klagen warten“, sagt auch die Leiterin der Berliner Antidiskriminierungsstelle, Eren Ünsal. Sie bekommt viele Beschwerden über Benachteiligungen, sieht die Ursache aber nicht unbedingt in Männerbünden. Vermutlich sei „das Gleichbehandlungsgesetz noch nicht flächendeckend bekannt“. Der erste Schritt für eine Frau, die sich diskriminiert fühlt, sei „die Dokumentation, was passiert ist“. Damit sollte sich die Betroffene beraten lassen – von betrieblichen Gleichstellungsbeauftragten oder externen Beratungsstellen.

Die IHK Berlin lehnt Quotenregelungen ab, sieht Frauen jedoch auf dem Vormarsch – auch wegen des Fachkräftemangels. „Frauen sind immer besser ausgebildet und laufen den Männern den Rang ab“, sagt IHK-Experte Thomas Letz. In Großunternehmen gebe es trotzdem leider fast nur Männer in der Führung. Vielleicht seien Bewerberinnen manchmal nicht offensiv genug.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) hat beobachtet, dass Frauen „besonders in kleinen und mittleren Unternehmen häufiger Führungsverantwortung übernehmen“ und damit auch Vorbilder für Mädchen und junge Frauen werden. In der „Landesinitiative Chancengleichheit“ bemühe er sich seit Jahren zusammen mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, den Frauenanteil in Spitzenjobs zu erhöhen.

Bei Siemens gibt es seit November die erste Frau im achtköpfigen Vorstand, die in München tätig ist. „Wir tun viel für die Frauenförderung“, sagt Sprecherin Ilona Thede. Es gebe spezielle „Mädchen-Ausbildungsklassen“, außerdem lade man regelmäßig Schülerinnen am „Girls’ Day“ ein und beteilige sich am Hochschul-Mentoringprogramm „Femtec“. Insgesamt sei „der Erfolg leider mäßig“. Für Ingenieurberufe interessierten sich zu wenige Frauen. Eine Ausnahme ist Nazmir Presser, Leiterin der Entwicklung für Hochspannungsanlagen: Die promovierte Festkörper-Physikerin hat 110 Mitarbeiter in Berlin und Grenoble und betont, bei ihr sei es „immer um die Kompetenz“ gegangen. Für ihr Fachgebiet gebe es aber kaum Interessentinnen.

Einen Frauenanteil von 34,5 Prozent in Führungspositionen hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). „Wir fördern Frauen gezielt“, sagt Intendantin Dagmar Reim. Im Mai soll Fernsehdirektorin Claudia Nothelle zur Programmdirektorin für TV und Radio werden. Auch die Personalabteilung und sogar die „Männerdomäne“ Gebäudemanagement würden von Frauen geführt, sagt Reim.

Zur Leiterin des „Bauhaus“-Baumarkts an der Wilmersdorfer Straße hat es Tülin Hüner gebracht. Die türkischstämmige Chefin sagt, sie sei weder als Frau noch wegen ihrer Herkunft benachteiligt worden. „Bei uns zählt nur Leistung.“ Zu den bekanntesten Managerinnen Berlins gehört BSR-Chefin Vera Gäde-Butzlaff. Mit dem Frauenanteil in der zweiten Führungsebene der Stadtreinigung ist sie noch unzufrieden, „nur zwei der zwölf Leiter sind weiblich“. Sie selbst sah sich nie ausgebremst: „Den Müllwerkern und Reinigern geht’s nur um Authentizität. Ein Mann mit Krawatte hilft ihnen auch nicht beim Mülltonnenziehen.“

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