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Elternzeit: Mehr Chancen für Väter

Berliner Unternehmen wollen zunehmend auch Vätern helfen, die Elternschaft mit dem Job zu vereinbaren.

Um ein neues Vaterbild zu schaffen, muss man das alte kennen. Das merkte Eberhard Schäfer im vorigen November, als er für männliche Mitarbeiter der Charité einen Informationsabend zum Thema „Elternzeit: eine Chance für Väter“ gestalten wollte. „Niemand war gekommen“, erinnert sich Schäfer, der das Väterzentrum Berlin leitet. Denn zeitgleich zum Informationsabend spielte die Fußballnationalmannschaft gegen England. Seitdem stimmt Schäfer die Termine seiner Infoabende auf den Spielplan der Nationalmannschaft ab.

Damit ist es aber nicht getan, wenn es darum geht, über die neuen Chancen heutiger Väter zu informieren. Das Vaterbild hat sich seit Ende der siebziger Jahre verändert. Damals sahen sich die meisten Männer als „Herren der Außenwelt“: Ernährer, die arbeiten gehen, während die Frauen die Kinder erziehen. Heute dagegen „wollen 70 Prozent der Männer aktiv an der Erziehung teilhaben“, sagt Peter Döge, der am Berliner Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung die Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf erforscht. Trotzdem ist der zu Hause bleibende Vater noch immer die Ausnahme.

Auch um dies zu ändern, wurde vor zwei Jahren das Elterngeld eingeführt. Bis zu zwölf Monate lang können Väter nun eine Auszeit im Job nehmen und sich um ihr Neugeborenes kümmern. Dafür bekommen sie zwei Drittel ihres bisherigen Einkommens und die Garantie, zum Arbeitgeber zurückkehren zu können.

Im Bundesdurchschnitt werden allerdings fast 85 Prozent der Elterngeldanträge von Frauen gestellt. Die neuesten Zahlen für Berlin stammen aus dem Jahr 2007 und zeigen nur geringfügige Abweichungen: Damals erhielten Väter von rund 6100 in der Stadt geborenen Kindern Elterngeld, was gut 20 Prozent der Anträge ausmacht.

Eberhard Schäfer vom Väterzentrum weiß, mit welchen Problemen und Diskriminierungen viele Väter kämpfen, wenn sie wegen der Kinderbetreuung weniger arbeiten oder eine Pause einlegen wollen. Er erzählt von einem Mann, der nach drei Monaten in den Job zurückkehrte und bemerkte, dass seine ganze Abteilung befördert worden war – nur er bekam seine alte Stelle wieder. Oder der Uni-Doktorand, der seinen Professor fragte, ob er in Elternzeit gehen könne: „Du wirst hier wohl kaum mehr deinen Doktor machen“, lautete die Antwort. Schäfer hat auch von der inoffiziellen Praxis eines „renommierten Betriebs“ gehört: „Väter, die mehr als fünf Monate in Elternzeit gehen wollen, kommen nicht mehr auf ihren alten Arbeitsplatz zurück.“ Wer Elternzeit in Anspruch nimmt, hat zwar eine generelle Jobgarantie. Unsicher bleibt aber oft, ob er danach wieder dieselbe Arbeit verrichten darf.

Wegen solcher Negativbeispiele sind viele Berliner Unternehmen daran interessiert, die Vaterschaft ihrer Arbeitnehmer zu fördern. Fast monatlich gibt es Konferenzen und runde Tische zur Vereinbarkeit mit dem Beruf. In der vorigen Woche hatte die Industrie- und Handelskammer einige Arbeit gebende und nehmende Väter und Mütter zur Diskussion geladen. Dabei zeigte sich, dass Unternehmen begonnen haben, sich auf die neuen Väter einzustellen.

Zum Beispiel die mittelständische Autowerkstatt von Carola Zarth in Charlottenburg: Die Chefin hat dort ein Zimmer eingerichtet, in dem die Kinder ihrer Mechaniker spielen, schlafen oder Hausaufgaben machen können.

„Meine männlichen Mitarbeiter sind es gewohnt, dass Kinder im Betrieb sind“, sagt Zarth. Sie hatte ihre Tochter nach der Geburt auch dorthin mitgenommen. Bei der Arbeitszeit versucht Zarth ihren Mitarbeitern entgegenzukommen. „Ein alleinerziehender Vater geht früher. Ein anderer beginnt erst um zehn Uhr mit der Arbeit, nachdem er seine ganze Bagage in Schule und Kita abgeliefert hat.“

Größere Unternehmen haben ebenfalls flexible Arbeitszeitmodelle eingeführt. Die Skandia Lebensversicherung AG setzt seit mehr als fünf Jahren darauf, dass Mitarbeiter ihre Arbeitszeit auf die individuellen Bedürfnisse abstimmen. Und kommt es trotzdem einmal zu Engpässen, können die Beschäftigten ihre Kinder auch mal mitbringen. Zum Beispiel wenn die Kitas bestreikt werden.

Auch der Pharmahersteller Sanofi-Aventis überlässt die Wahl der Arbeitszeiten weitestgehend seinen Mitarbeitern: „Bei uns gibt es eine Vertrauensarbeitszeit“, sagt Manfred Schäfer von der Personalabteilung. Denn zumindest im nichtproduzierenden Bereich sei die Präsenz am Arbeitsplatz inzwischen verzichtbar. Mit Telearbeit per Laptop und Blackberry könnten Väter von daheim aus arbeiten. „Wichtiger als die reine Anwesenheit ist bei uns die Lösung von Aufgaben und Problemen“, betont der Personalmanager.

Genau darin sieht Vaterforscher Döge eine Chance, wenn Männer vermehrt Kinder betreuen: Studien hätten ergeben, dass betreuende Väter nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz loyaler, motivierter und leistungsbereiter seien, berichtet der Wissenschaftler. Außerdem wirke sich die Kinderbetreuung wie ein Trainee-Programm aus: „Väter können dabei Kompetenzen erwerben – zum Beispiel in Chaosmanagement.“ Und das zahle sich dann auch für die Unternehmen und Betriebe aus.

Martin Gropp

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