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Flagshipstore: Wenn die Marken Flagge zeigen

Große Hersteller präsentieren in Flagshipstores, was sie haben. In Berlin gibt es schon weit über 100.

Wer den zweistöckigen Gravis Store am Ernst-Reuter-Platz besucht, kann sich kaum noch vorstellen, dass es Anfang der 90er Jahre in den ersten Läden des Apple-Computerhändlers aussah wie bei Aldi – damals stapelten sich Kartons in Stahlregalen. Dagegen hat das heutige 1500-Quadratmeter-Geschäft nicht nur ein edles weiß-grünes Corporate Design, das mit Elementen wie abgerundeten Ecken vielen Apple-Produkten ähnelt, sondern auch eine Caféteria und Lounge, eine Computerspiel-Ecke, Konferenzräume für Präsentationen und Seminare sowie ein Multimedia-Studio. Regelmäßig treten Musikbands auf. Neuerdings können Kunden außer Geräten auch Programme („Apps“) für das iPhone vor dem Kauf testen, was sonst unüblich ist. Doch in dem 2007 eröffneten Flagshipstore gehören Besonderheiten zum Konzept.

So ist es auch in den meisten anderen Berliner Vorzeigeläden großer Markenhersteller, von denen es bereits weit über 100 gibt. Als einer der ersten hatte im Jahr 2000 der „Sony Style Store“ im Sony-Center am Potsdamer Platz eröffnet, wo der Elektronikkonzern zum Ausprobieren neuer Technik einlädt. Zurzeit können sich Besucher 3-D-Brillen aufsetzen und vor dem Prototyp eines künftigen Flachbildfernsehers dreidimensionale Filme sehen.

Der jüngste Neuzugang unter den Flaggschiff-Läden ist die „Bunte Schokowelt“ von Ritter Sport am Gendarmenmarkt: Seit Ende voriger Woche gibt es auf drei Etagen alle 25 Schokoladensorten des Herstellers, darunter auch manche, die kaum ein Supermarkt führt. Ein Café bietet Torten mit Schokostückchen an, eine Ausstellung zeigt den Weg vom Kakao zur Schokolade. In der „Schokowerkstatt“ dürfen Kinder eigene Schokoladen kreieren, während sich Erwachsene individuelle Sorten von einem Konditor fertigen lassen können. Neben Schokoladentafeln füllen Merchandising-Artikel wie Taschen und Hemden die Regale.

Mit T-Shirts, Regenschirmen, Hausschuhen und Handtüchern wirbt auch der Beiersdorf-Konzern für seine Kosmetikmarke Nivea, die im vorigen Frühjahr das „Nivea-Haus“ Unter den Linden gründete. Dort gibt es auch Räume für Massagen und kosmetische Behandlungen.

„Marken wollen gepflegt werden – auch wenn sie bereits woanders vertrieben werden“, sagt Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg. Dass Hersteller eigene Geschäfte gründen, widerspreche keineswegs dem Shop-in-Shop-Konzept, bei dem Firmen zu Untermietern bestehender Läden und Kaufhäuser werden. „Beides ergänzt sich“, sagt Busch-Petersen. Eine Luxusmarke verkaufe im KaDeWe womöglich mehr als im eigenen Geschäft. Flagshipstores seien oft besonders für Touristen gedacht, um die internationale Bekanntheit einer Marke zu steigern.

Jörg Mugke, einer der Gravis-Geschäftsführer, bezeichnet den Vorzeigeladen am Ernst-Reuter-Platz auch als „Labor“: Dort teste man Konzepte, die eventuell später auf die 26 weiteren deutschen Filialen übertragen werden. Bei Ritter Sport sagt Ladenchef André Behnisch, ein eigener Laden zeige die Kundenwünsche besonders deutlich. Diese Erfahrung habe man bereits mit Besuchergruppen am Firmensitz in Waldenbuch bei Stuttgart gemacht. „Wir reagieren auf jede Nachfrage.“ Und die Merchandising-Artikel könnten die „große Verbundenheit mit der Marke“ weiter steigern.

In der Tauentzienstraße laden die Sportkaufhäuser Niketown und Adidas und der Puma-Store häufig Sportstars und Musiker zu Shows oder Autogrammstunden ein. Wenige Schritte weiter präsentiert sich der Spielwarenhersteller Lego mit einer multimedialen Bastelwelt. Doch nicht jedes Flaggschiff-Geschäft setzt auf Veranstaltungen: „Bei uns gibt es keine Events“, sagt Frauke Schmidt, Sprecherin der Modekette Zara. Zusammen mit Esprit und Marc O’Polo, der Parfümerie Douglas, der „Mercedes-Benz Gallery Berlin“ und dem Telefonkonzern O2 ist Zara in das Geschäftshaus „Upper Eastside“ an der Ecke Friedrichstraße / Unter den Linden gezogen. Die gute Adresse, die Größe der Räume und die Umsetzung des neuesten Ladenkonzepts gelten als Besonderheiten – andererseits sieht Zara „alle unsere Filialen als Flagships“. Die Abgrenzung sei schwierig, „jeder hat da andere Vorstellungen“, sagt Schmidt. Von manchen Firmen werde der Begriff „inflationär gebraucht“.

Tatsächlich gibt es keine genaue Definion des Worts. „Wohlklingende Namen werden gerne genommen – so wie früher das ,Warenhaus‘“, sagt Nils Busch-Petersen vom Handelsverband. So kommt es, dass manche kleinen Modelabels, die Läden mit weniger als 100 Quadratmetern in einem Szenebezirk wie Mitte eröffnen, bereits von einem Flagshipstore sprechen. Mitunter ist es das erste und einzige Geschäft eines jungen Unternehmens. Selbst die Humboldt-Uni nennt ihren im November eröffneten Merchandisingladen im Foyer den „Humboldt-Flagship-Store“. Hinter dem Begriff kann also vieles stecken. Nur eines sollte man nicht erwarten: besonders niedrige Preise. Denn meistens hält sich ein Flagshipstore an die Preisempfehlungen der Hersteller, Sonderangebote findet man eher woanders.

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